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ENERGIE aus BIOMASSE

 
6.16 Energie aus Biomasse

Durch die Photosynthese hat die Pflanze Sonnenlicht in chemische Energie umge-
wandelt, die auf verschiedene Weise genutzt werden kann.

1. Verbrennen

Schnödes Verbrennen von Holz ist seit der Menschwerdung üblich. Modernisiert
wurde es durch Pelletierung auch von sonst nicht nutzbaren Abfällen. Pellets
sind rieselfähig, sie lassen sich fast wie eine Flüssigkeit fördern, sie gestat-
ten einen automatisierten Betrieb entsprechender Heizungsanlagen. Nach wie vor
ist auch Scheitholz zum Verbrennen geeignet, moderne Hausanlagen haben einen
Wirkungsgrad von 90 %. Es wird einmal am Tag hintereinander weg geheizt, die
Wärme in großen Wassertanks gespeichert (für je 1 Kilowatt Leistung braucht man
ein Puffervolumen von 50 l Wasser).
Natürlich ist die alte Verbrennung von Scheitholz in Wärmespeicheröfen ("Kachel-
ofen") nach wie vor diskutabel. Allerdings bedarf die Holzheizung einer Moderni-
sierung, da durch sie die Umwelt mit Teer, Dioxin und Feinstaub belastet wird.
Die etwa 10 Millionen Öfen und Kamine in Deutschland schleudern davon 24000 Ton-
nen jährlich in die Luft, mehr als alle Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor zusammen.
Zu fordern sind kleine, leistungsfähige, gefahrlos zu reinigende und sparsame
Elektrofilter, die bequem in den Rauchgasstrom einzubauen sind.
Die Umweltvorschriften verlangen die Verbrennung trockenen Holzes (unter 20 %
Feuchte), das zwei Jahre an der Luft trocknen soll: Dann brennt es auch schad-
stoffärmer ab.
Diese Art der Verwertung schont fossile Brennstoffe und ist kohlendioxidneutral,
es wird nicht mehr CO2 erzeugt, als über das Wachstum der Pflanzen gebunden
wird. Z.B. könnte man Pappeln anbauen und alle 15 Jahre "ernten", die Stubben
schlagen wieder aus. Der Zuwachs beträgt pro Jahr und Hektar 20 t Holz, in 100
Jahren würden darüber hinaus 300 t Kohlenstoff als Humus im Boden gebunden.


2. Verschwelung, Pyrolyse

Seit der Entwicklung des FISCHER-TROPSCH-Verfahrens 1925 ("Fitro") war bekannt,
dass man aus einem Synthesegas, gewonnen aus Braunkohle, Steinkohle, Erdöl, Erd-
gas, Kokereigas, Holz, Torf usw. flüssige Treibstoffe, ja sogar Paraffine her-
stellen kann. [1]
Mit dem drohenden Ende der Erdölverarbeitung besinnt man sich wieder auf die
Verfahren, mit denen man trockenes, organisches Material wie Holz, Stroh, ge-
trocknete Blätter und Stengel, Klärschlamm, Kunststoffabfälle usw. unter Zufuhr
von Wasserdampf und Sauerstoff zu Synthesegas, Teer und Koks verschwelt.
Synthesegas besteht im Wesentlichen aus Wasserstoff und Kohlenmonoxid im Verhält-
nis 2:1. Nach der Reinigung leitet man das Gas über einen Katalysator (im "Kon-
taktofen"). Dabei entsteht Wärme, die abgeführt werden muss. Bei dieser Kühlung #
scheiden sich Kohlenwasserstoffe, namentlich in Dieselqualität ab; nicht umge-
setztes Gas gelangt in den Kreislauf zurück.
Durch Destillation des Kohlenwasserstoffgemisches stellt man Treibstoffe in
straßentauglicher Qualität her. Aber auch das Synthesegas selbst kann als Treib-
stoff für Gasmotoren und Gasturbinen herhalten - man erinnere sich an die "Holz-
gaser", LKW, die nach dem Weltkrieg mit Hilfe eines Generators von der Stelle
kamen. Mit modernen Anlagen kann man aus 5 Tonnen Holz eine Tonne Dieselkraft-
stoff erzeugen [2]. Das Verfahren liefe parallel zum GTL-Kraftstoff (GTL = Gas
To Liquid, "Synfuel") aus Erdgas. Schwere Schwelprodukte lassen sich nach dem
alten Verfahren von BERGIUS zu Benzinen cracken.
Dafür kann bei Biomasse wie Stroh die unbequeme Entschweflung des Synthesegases
entfallen. Der aus solchem Pyrolysegas gewonnene Treibstoff heißt BTL-Diesel
(BTL = Biomass To Liquid, "Sunfuel"). Aus dem Synthesegas ließe sich aber auch
das enthaltene Kohlenmonoxid zu Wasserstoff (und mit Wasser auswaschbarem Koh-
lendioxid) konvertieren. Der relativ reine Wasserstoff ist für Hydrierungen oder
als Brenngas oder für Brennstoffzellen einzusetzen. Allerdings gestaltet sich
dieses Verfahren angesichts des derzeitigen Erdgasangebotes noch unwirtschaft-
lich.


3. Biodiesel

Steigende Erdölpreise zeigen den Energiehunger des Transports von Menschen, Roh-
stoffen und Waren auf. Für Dieselmotoren lassen sich Pflanzenöle einsetzen, al-
lerdings empfehlen sich für den Dauerbetrieb einige Modifizierungen:
So wird Rapsöl mit Methanol umgeestert, siehe Rapsund mit Additiven
versehen.


4. Ethanol, Biosprit, Spiritus

Stärke zu Zucker umgewandelt, vergärt mit Hefebakterien zu Ethanol (= Äthanol,
Äthylalkohol, oder einfach "Alkohol") und Kohlendioxid. Das Ethanol wird vom
verdünnenden Wasser durch Destillation abgetrennt. Der Alkohol hat eine hohe
Klopffestigkeit (Oktanzahl über 110) und kann in Ottomotoren verbrannt werden.
Der Energiegehalt liegt aber 20 % unter dem von Benzin, deshalb und wegen der
erforderlichen Zündfähigkeit mischt man dem Ethanol mindestens 15 % Benzin zu.
Einsatzprodukte sind zur Zeit Zuckerrohr (Brasilien), Weizen und Mais. Europas
größte Bioethanolfabrik (2007) in Zeitz stellt jährlich aus etwa 700 000 Tonnen
Weizen 260 000 m³ Ethanol und 200 000 t Futtermittel her. Der Weizen (oder auch
beliebige andere Getreide) werden zermahlen, mit Wasser angemaischt, mit bio-
technologisch gewonnenen Enzymen verzuckert und mit Hefen vergoren. Optimal hat
die vergorene Maische 12..13 % Alkohol. Nach der Destillation enthält dieser
Alkohol noch etwa 5 % Wasser, das man mit Molsieben entfernt. Der getrocknete,
99,8 %ige Alkohol lässt sich nun in jedem Verhältnis mit Benzin mischen und ver-
bessert dessen Oktanzahl.
Die unvergorenen Bestandteile werden als Viehfutter abgesetzt. Die Trockenmasse
weist 37,9 % Protein, 6,8 % Fett, 6,4 % Kohlenhydrate, 7,6 % Rohfaser und 5,6 %
Asche auf. Damit kann man teilweise Sojaextraktionsschrot substituieren; die
Rationsanteile im Futter können bei Milchkühen bis 20 %, bei Schweinen und Lege-
hennen bis 15 % betragen. [7]

Zellulose-Ethanol wird aus Pflanzenresten gewonnen, wobei die Zellulose auch mit
Enzymen zu vergärbaren Zuckern gespaltet wird.


5. Biogas

In Klärwerken, Gülletanks, Kompostwerken, Deponien entsteht aus organischem
Material durch bakteriellen Einfluss Biogas, das zum größten Teil aus Methan
besteht (55..70 % Methan CH4, 30 % Kohlendioxid CO2, Wasserdampf, Schwefelwas-
serstoff H2S). Der untere Heizwert beträgt Hu = 21,5..23,5 MJ/Nm³ bzw.
5,5..6,0 kWh. Von vornherein zur Energiegewinnung vorgesehenes Material kann
beachtliche Gasmengen ergeben (in Nm³/t Material) [1]:
Weizenkorn 550
Bioabfall 350
Maissilage 190
Grassilage 160
Speiseabfälle 120
Kartoffeln 100
Schweinegülle 25
Rindergülle 20 (eine große Menge Methan haben Rinder schon vorher ausge-
rülpst).
Dazu angebaute Pflanzenarten sind Chinaschilf, Getreide, Gräser, Holz, Kleegras,
Leguminosen, Mais, Raps, Roggen, Sonnenblumen, Weizen, ja sogar Johanniskraut,
Lein, Leindotter, Mariendistel und andere, nachdem die Samen gewonnen wurden.
Allerdings würde die volle Vergärung von reinem Pflanzenmaterial 45..70 Tage
dauern, weshalb eine Zumischung von Gülle erforderlich scheint. Den lästigen
Schwefelwasserstoff kann man durch gut dosierte Sauerstoffzufuhr oxidieren.
Es gibt mehrere Kriterien der Einteilung
- nach dem Trockensubstanzgehalt: unter 15 % Nassvergärung, >25 % Trockenver-
gärung
- nach der Temperatur: psychrophil bis 20 °C, mesophil um 35 °C, thermophil
bis 55 °C
- Chargenbetrieb (= Batchbetrieb) oder kontinuierlich
- technisch nach den Abbaustufen, nach der Bewegung, der Form der Apparatur
(Fermenter, Reaktor) und dem Einsatzprodukt.
Eine Biogasanlage muss trotz Mess- und Regelungstechnik täglich gewartet werden.
Interessenten sollten sich bei Betrieben umsehen, die eine ähnliche Rohstoffsi-
tuation aufweisen. Die Größe der Anlage ist dem Aufkommen an Biomasse anzupas-
sen (zu groß: die Vergärung leidet unter niedriger Temperatur im Winter, zu
klein: wo besteht Stapelkapazität) und der Absatz des Düngers sei der Feldflä-
che angemessen. Nach der Biogasgewinnung wird Gülle besser fließfähig, pflanzen-
und bodenverträglicher sowie weniger geruchsbelastend.
Ansicht einer Biogasanlage zu einem Rinderstall siehe Bild
Zwar kann das Biogas als Koch- und Heizgas verwendet werden, aber besser ist die
Nutzung in Blockheizkraftwerken. Diese BHKW erzeugen mit einem Verbrennungsmotor
aus Gas (statt Diesel) elektrischen Strom (Wirkungsgrad 28..38 %) und Wärme
(Wirkungsgrad 42..58 %). Siehe Bild Blockheizkraftwerk
Das Gas lässt sich ferner wie unter Pkt. 2 in flüssige Kraftstoffe umwandeln.

Ablauf in einem Kompostwerk nach [4]

Anlieferung
aus Biotonnen
Presswasser <───────┤
│ │
┌───────│─────> Aerobe Vorbehandlung
│ ↓ Hydrolyse
│ Presswasser<── Rottetrommeln
│ │ 5 Tage
│ │ │
│ │ Vorabsiebung ─────────> Grobstoffe >250 mm
│ │ │
│ │ ┌───── Sternsieb
│ │ │ ↓
│ │ <50 mm über 50 mm
│ │ │ │
│ │ │ │
│ │ │ Foliensichtung ───────> Folien
│ │ │ │
│ │ │ Eisenabscheidung ──────> Eisen
│ │ │ │
│ │ │ Sortierband ─────────> Störstoffe
│ │ │ │
│ │ │ Shredder
│ │ │ Schneidscheibenmühle
│ │ │ │
│ │ └──> Grüngutspeicher 110 m³
│ │ │
│ └─────────> Dosierer
│ │
│ Fermenter
│ Gärbehälter ─────Gas─> BHKW──> Strom
│ 900 m³, 55 °C │
│ Verweildauer 15 Tage └───> Wärme
│ │
│ Entwässerung ────────> Abwasser
│ │
└─<─-Gärrückstand <────┼───────────────> Frischkompost
│ Rottegrad III
Abwurfbox

Luft──────> Nachrotte ───>Biofilter ───> Abluft
2..5 Tage

Kompostmiete 4..6 Wochen

Siebung ───────────> Fertigkompost
Rottegrad V



Biomasseverwertung, Übersicht nach [1]

B i o m a s s e
Holz Stroh Schilf Pflanzenfette Kohlenhydrate Grünmasse
│ │ │ │ │ │ │
├───────────┴─────┬─────┘ │ │ Gärung Gärung
│ │ │ │ │ │
mechan. Vergasung/Pyrolyse │ Veresterung Destillation Biogas
Pellets Holzkohle │ │ │ │ │ │
│ │ │ │ │ │ Synthese │
Festbrennstoff Holzgas │ │ │ │ │
│ │ │ │ │ │ │
Kesselanlage Holzgasmotor Pflanzen- Diesel- Ottomotor Gasmotor
│ │ ölmotor motor │ │
Blockheizkraftwerk └────────┼─────────┘ ┌───BHKW
│ │ │ │ │
Strom Wärme Fahrzeuge/Verkehr Strom Wärme



Holzkohle siehe Holzkohle


HISTORIE
Franz FISCHER (1877-1947), Hans TROPSCH erhielten zuerst 1925 benzinartige Koh-
lenwasserstoffgemische aus Wassergas.
Friedrich BERGIUS (1884-1949), Nobelpreis mit Carl BOSCH 1931. BERGIUS hatte
auch ein Verfahren zur Holzverzuckerung entwickelt.


LITERATUR
[1] STUHM, M.: Bioabfall als Energieträger und Kompostlieferant in der Kreis-
laufwirtschaft, Vortrag am 16.5.2005
[2] BOXER: BIOGAS, http://www.boxer99.de/biogas_biogasanlagen.htm (Abfr. 3/2007)
[3] KÖTTNER, M., IBBK: Biogas & Bioenergie Kompetenzzentrum, http://www.biogas-
zentrum.de/ibbk/basiswissen_biogas.php (Abfr.3/2007)
[4] Zweckverband Abfallwirtschaft Sachsen-Anhalt Süd, Kompostwerk Weißenfels
Info 12/2002, 6/2004, 2/2005
[5] OST-RASSOW: Lehrbuch der chemischen Technologie, Barth Leipzig, 26. Aufl.
1955
[6] WOLF, B.: "Carbo-V", Choren Industries GmbH Freiberg, MZ 18.10.2003
[7] ProtiGrain, Prospekt Crop Energies AG, Ochsenfurt 2007

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