Zurück zur Startseite
Voriges Kapitel Analyse
Folgendes Kapitel Wasserbestimmung

PDF lesen

MIKROSKOP

 

4.6.2 Mikroskop

Die Erkenntnisse der Biologie sind ohne das Mikroskop nicht denkbar. Zellen
und Gewebe - verschieden angefärbt - offenbaren erst bei entsprechender Vergröße-
rung ihr Wesen. Die Anfänge reichen zurück bis auf Roger BACON (1214-1294), der
1267 darauf hinwies, dass Glaskugelsegmente vergrößern und schwachsichtigen Per-
sonen als Sehhilfe dienen können. Damit war die Brille erfunden. Anfang des 17.
Jahrhunderts kombinierten Hans und Zacharias JANSEN in Holland Linsen zu Fern-
rohr und Mikroskop, wie der Gewährsmann Pierre BOREL angibt. Als weiterer Erfin-
der wird Cornelius Jakobszoon DREBBEL (1572-1634) geführt. Selbst Galileo GALI-
LEI (1564-1642) variierte Linsen zwischen Fernrohr und Mikroskop durch die Tubus-
länge, in seiner Umgebung tauchte auch das Wort "Mikroskop" auf. Einer der er-
folgreichsten Mikroskopiker ist Antony van LEEUWENHOEK (1632-1723), der etwa 400
Mikroskope baute und mit bis zu 250facher Vergrößerung Blutkörperchen, Rädertier-
chen, Spermatozoen und Bakterien sah. Marcello MALPIGHI (1628-1694) begründete
die mikroskopische Anatomie, Robert HOOKE (1635-1703) erkannte 1665 den Aufbau
von pflanzlichen Geweben aus Zellen. Die Optiken dieser Mikroskope krankten an
den technischen Möglichkeiten, so traten farbige Ränder und starke Verzerrungen
auf. Die Entwicklung achromatischer optischer Systeme durch Kombination von Lin-
sen aus unterschiedlich brechenden Gläsern Anfang des 19. Jahrhunderts beflügel-
te die Mikroskopie, Joseph von FRAUNHOFER (1787-1826) trug wesentlich zu die-
ser Entwicklung bei. Im Heer von hier nicht genannten Forschern erkannten Theo-
dor SCHWANN (1810-1882) und Matthias Jakob SCHLEIDEN (1804-1881), dass pflanz-
liche und tierische Gewebe gleichermaßen aus Zellen bestehen, Rudolf VIRCHOW
(1821-1902) begründete die Zellularpathologie, Louis PASTEUR (1822-1895) er-
forschte Gärung und Mikroorganismen, Robert KOCH (1843-1910) begründete die wis-
senschaftliche Bakteriologie mit der Entdeckung der Erreger von Milzbrand, Tuber-
kulose, Cholera, Malaria und anderen. Noch einmal gab es einen Sprung durch die
Arbeiten von Carl ZEISS (1816-1888) und Ernst ABBÉ zu besseren Optiken wie zum
Immersionsobjektiv und zu besserer Beleuchtung.


Prinzipieller Aufbau eines Lichtmikroskops

Entscheidend sind zwei optische Linsensysteme: Das Objektiv in der Nähe des Ob-
jektes (des Betrachtungsgegenstandes) und das Okular in der Nähe des Auges (lat.
oculus = Auge). Beide Systeme sind durch eine lichtdichte, innen geschwärzte
Röhre, den Tubus, gehaltert. Die Okulare verschiedener Vergrößerung lassen sich
durch Einstecken einfach auswechseln, modernerweise sind sie auch durch eine
Digitalkamera ersetzt. Die Objektive verschiedener Vergrößerung hingegen können
mit einem verdrehbaren Revolver vor den Tubus gedreht werden.
Zum Zubehör zählen Beleuchtungseinrichtung, Kondensor, Objekttisch, Objektträger,
Zählkammern, Blenden, Mikrometerschraube, Okularaufsätze für Brillenträger, Ka-
meraaufsatz, Mikrotom für Gewebeschnitte, Färbebank usw.


Vergrößerung

Das Verhältnis von Bildgröße y' zu Objektgröße y heißt Abbildungsmaßstab M.
M = y'/y
Ein negatives M bedeutet ein umgekehrtes, ein positives M ein aufrechtes Bild.
Bei │M│ > 1 handelt es sich um ein vergrößertes Bild.
Für eine bequeme Betrachtung sollte der Sehwinkel zwischen 2' und 4' (Bogenminu-
ten) betragen, bei einem Abstand des Auges von 250 mm wären bei 2' das 0,15 mm,
4' für 0,30 mm Objektgröße. Der Grenzwinkel der Trennbarkeit zweier Striche ist
10" (Winkelsekunden) = 0,0125 mm.

scheinbare Größe des im Gerät sichtbaren Bilds
Vergrößerung = ──────────────────────────────────────────────
scheinbare Größe des Objekts bei bloßem Auge

Für Lupen, Lesegläser und Okulare gibt man die Lupenvergrößerung an:

250 mm
Lupenvergrößerung = ───────────────────
Brennweite f' in mm

Der Vergrößerung von 10 x (= zehnfach) entspricht eine Brennweite von 25 mm.

Die Vergrößerung eines Mikroskops ergibt sich aus

Mikr.vergrößerung = - (t / f'obj) * (250/f'ok)

darin sind t = Tubuslänge in mm
f'obj = Brennweite Objektiv
f'ok = Brennweite Okular

Die betreffende Vergrößerung ermittelt man einfach durch Multiplikation der in
Objektiv und Okular eingravierten Vergrößerungen.
Man wird mindestens zwei Okulare brauchen, üblich sind 5x, 10x bis 32x oder ein
Zoom-Okular bzw. ein Kamera-Okular.
Bei Objektiven sind Trockenobjektive und Eintauchobjektive (Immersionsobjektive)
zu unterscheiden. Bei Immersionsobjektiven gibt man einen Tropfen Immersionsöl
(z.B. Zedernholzöl, Brechungsindex 1,51) auf das Objekt und führt das Objektiv
darauf. Durch Wegfall der Grenzflächen zu Luft lässt sich die Auflösung steigern;
aber wenn auch das Immersionsöl in die Objektivberechnung einbezogen wird, ist
dennoch beim Lichtmikroskop keine Vergrößerung über 2000x zu erreichen, beim
Trockensystem allenfalls bis 1000x.
Für Beobachtungen mit Tageslicht hört die förderliche Vergrößerung etwa mit dem
Verhältnis 1:1000 der numerischen Apertur auf, da man in die Wellenlänge des
Lichts kommt und darüber hinaus wird nur die Beugungsunschärfe vergrößert. Erst
ab 2004 konnte durch St. W. HELL ein Prinzip vorgestellt werden, das scharfe
Einblicke über die bisherige Grenze in das Innere lebender Zellen gestattet.
Übliche Objektivvergrößerungen sind 4x, 10x, 25x, 40x, 63x, Immersionsobjektive
100x. Ferner ist bei Objektiven nach dem Korrektionszustand zu unterscheiden.
Für den sichtbaren Bereich kennt man Achromate, Halbapochromate, Apochromate,
für den UV- und sichtbaren Bereich UV-Monochromate, UV-Achromate, UV-Apochromate
und Spiegelsysteme, nach der Bildfeldebnung Planachromate und Planapochromate.
Weitere Angaben erstrecken sich auf die Apertur und Blenden. Die numerische
Apertur A = n * sin(sigma), das Produkt aus Brechzahl und Sinus des halben Öff-
nungswinkels, ist eine Kenngröße, die Auskunft über Auflösung und Lichtstärke
gibt.

Umgang mit dem Mikroskop

Wer sich ein Mikroskop erwerben will, sollte sich im Klaren sein, was er unter-
suchen oder abbilden will. Ohne fachliche Beratung, nur im Hinblick auf den
Preis oder beworbener starker Vergrößerung, wird man nicht ernsthaft damit ar-
beiten können. Es kommt auf die Güte der Optiken, genaue Justierung, stabilen
Aufbau und leichtgängige, feinfühlige Mechaniken an.
Wenn man es nicht benutzt, sollte es in der übrigen Zeit im zugehörigen Kasten
sicher aufbewahrt werden. Man fasse es am Stativ bzw. Fuß, aber nicht am Tubus
an, der seine Zentrierung verlieren könnte. Vor einem Herumschrauben sei gewarnt,
der Laie dürfte ohne Messeinrichtungen nicht mehr den Originalzustand herstellen
können. Gelegentlich müssen die Gläser geputzt werden, was mit feinem Wildleder
zu erledigen ist.
Als Objektträger sind saubere, rechteckige Glasscheiben üblich. Das Objekt dar-
auf kann ein Ausstrich, ein Tropfen oder mit einem Mikrotom sehr dünn geschnit-
tenes Material sein.
Wenn man den Objektträger auf den Objekttisch gespannt hat, nähert man das Ob-
jektiv fast ganz dem Objekt und kontrolliert das von der Seite. Dann schaut
man durch das Okular und und hebt den Tubus an (oder senkt bei anderer Bauart
den Objekttisch), bis das Bild erscheint. Durch einen Kreuztrieb lässt sich das
Objekt auf dem Objekttisch in beliebige Richtungen zur Betrachtung des gesamten
Objektes schieben. Bei einem Stereomikroskop schaut man mit beiden Augen ent-
spannt durch, bei einem Monookular kneift man das freie Auge nicht zu, vor der
Einführung der Fotografie hat man mit dem freien Auge das Zeichenblatt beachtet.
Das mikroskopierende Auge schaut entspannt wie in die Ferne.
Ein eigenes Problem ist die Beleuchtung. Hat man undurchsichtige Objekte (Insek-
ten, Mineralien, Schliffe), wird man mit Auflicht arbeiten. Für die Durchlicht-
mikroskopie hat man Spiegel, auf die entweder diffuses Himmelslicht oder der
Strahl einer elektrischen Lampe fällt. Das Licht wird mit einem Linsensystem -
dem Kondensor - gerichtet und mit Blenden entsprechend abgedeckt. A. KÖHLER hat
1893 ein Verfahren angegeben, mit dem das Licht optimal einzustellen ist:
Köhlersche_Beleuchtung
- Präparat (= Objekt) bei beliebiger Beleuchtung scharf einstellen (Okular 10x,
Objektiv 40x)
- Mattscheibe unter dem Kondensor entfernen (der Kondensor ist ein optisches
System in der Nähe des Präparates; er soll für ein gleichmäßig ausgeleuchte-
tes Objektfeld sorgen)
- Kondensor- und Leuchtfeldblende schließen
- Bei Verwendung einer speziellen Mikroskopierleuchte Entfernung und Höhe so
variieren, dass ein scharfer Lichtfleck auf der zugezogenen Kondensorblende
entsteht
- Kondensor bis zum Anschlag hochfahren. Mit Blick durch das Mikroskop Konden-
sor langsam absenken, bis das Bild der Leuchtfeldblende scharf ist
- Lichtfleck durch Bewegen des Spiegels oder der anderen Einrichtungen zentrie-
ren
- Leuchtfeldblende so weit öffnen, bis das Gesichtsfeld voll ausgeleuchtet ist.
- Mattscheibe wieder vorschalten und Kondensorblende nach Bedarf öffnen.
Einstellung bei Immersion:
- Tubus anheben, Revolver auf Immersionsobjektiv drehen
- Kondensor bis zum Anschlag hoch fahren, Leuchtfeldblende auf
- ein Tropfen Immersionsöl auf das Präparat
- von der Seite kontrollieren: Tubus senken, bis das Objektiv sacht in das Im-
mersionsöl taucht
- Mit Blick durchs Okular Tubus mit Grobtrieb soweit heben oder senken, bis das
Objekt im Umriss erscheint. Mit Feintrieb Präparat scharf stellen. Günstigste
Helligkeit mit der Kondensorblende einstellen.
- Benutzte Immersionsobjektive sind nach Gebrauch mit einem benzingetränkten
Leder abzuwischen (nicht mit Spiritus oder anderen Lösungsmitteln, die die
Kittung der Linsen angreifen könnten).

Raffinierte Effekte sind mit Dunkelfeld, Phasenkontrast, Polarisation, Interfe-
renz, Fluoreszenz, UV und Infrarot zu erreichen. Färbungen zur besseren Erken-
nung werden mit Lösungen von Methylenblau, Karbolfuchsin, Pararosanilin, Karbol-
methylviolett, Lugolscher Lösung, Azur, Eosin und anderen durchgeführt.
Es gibt viel zu wissen, angefangen von der Herstellung von Präparaten bis zur
Fotografie sowie der digitalen Aufnahme bis zur Projektion. Für den Biologen
ist das Mikroskop zur Bestimmung von kleinen Tieren, Schädlingen, Krankheiten,
Pollen, Sporen usw. wichtig, und neue Züchtungen werden unter dem Mikroskop ge-
schaffen; im Gesundheitswesen sind z.B. Blutuntersuchungen auf das Mikroskop an-
gewiesen. Für die Warenprüfung (Untersuchung auf Verfälschungen) in Drogerie,
Apotheke oder Lebensmittelbetrieb leisten Mikroskope unersetzliche Dienste.

LITERATUR
[1] BEYER, H. (Hrsg.): Handbuch der Mikroskopie, Verlag Technik Berlin 1973
[2] HAGER, H., F. TOBLER: Das Mikroskop und seine Anwendung, Julius Springer
Berlin, 13. Aufl. 1925
[3] SPRÖSSIG, M., G. ANGER: Mikrobiologisches Vademekum, Gustav Fischer Jena,
3. Aufl. 1976

Zum Anfang dieses Kapitels