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STEUERUNG VON LEBENSVORGÄNGEN
16.17.4 Die Steuerung von Lebensvorgängen
Die Regulation von Lebensvorgängen läuft in mehreren Ebenen ab:
Umwelt
┌──────────────────────────────┐ Regelsystem
│ Organismus │ : physikalisch-chemische
│┌───────────────────────────┐ │ : Gleichgewichte
││ Organsystem │ │ : : lokale Regelungen
││┌────────────────────────┐ │ │ : : :
│││ Organe │ │ │ : : :
│││┌─────────────────────┐ │ │ │ : : Homöostasen
││││ Zellen │ │ │ │ : :
││││┌──────────────────┐ │ │ │ │ : :
│││││ Zellorganellen │ │ │ │ │ : :
│││││┌───────────────┐ │ │ │ │ │ : :
││││││ Molekülebene │ │ │ │ │ │ :
│││││└───────────────┘ │ │ │ │ │
││││└──────────────────┘ │ │ │ │
│││└─────────────────────┘ │ │ │
││└────────────────────────┘ │ │
│└───────────────────────────┘ │
└──────────────────────────────┘
Als Beispiel für eine Regelung wird die Atemregulation gewählt. (Einige erklä-
rende Details zur Regelung sind im Kapitel Regelungzu finden.)
Die Atemregulation dient der Sicherung der Sauerstoffversorgung und dem Ab-
transport des Kohlendioxids. Als Regler fungiert das Atemzentrum, ein Areal
in der Medulla oblongata zwischen Rückenmark und Hirnbasis. Dort aktivieren
schon niedrige Konzentrationen von Kohlendioxid dieses Areal. Rezeptoren in
der Hirnhaut [2] beeinflussen durch entsprechenden pH-Wert des Blutes (sauer
durch Kohlendioxid) ebenfalls die Atemtätigkeit. Die dritte Stelle sind Chemo-
rezeptoren im Gebiet des Sinus caroticus [3] (an der Verzweigungsstelle der
äußeren Kopfschlagader), die je nach Sauerstoffpartialdruck im Blut Signale
über Nerven an das Atemzentrum abgeben. Weiterhin senden Dehnungsrezeptoren
der Atemmuskulatur [4], Thermorezeptoren der Haut [5] und Chemorezeptoren in
der Muskulatur je nach CO2-Produktion [6] Reize an das Atemzentrum.
┌────────────────────┐
Störgrößen │ Strecke: Arteriel─ │
─────────────────>o────>┤ les Blut ├───────┬──────────>
(Atemstörungen, ↑─ └────────────────────┘ │
Bewegung (Sport), │ │
Ausscheidung │ ↓
(Nieren..)) │ ┌───────┴─────────┐
│ │ Messglieder: │
┌────────┴───────┐ │ Rezeptoren für │
│ Stellglieder │ │ O2, CO2 im Blut │
│ Atemmuskulatur │ │ [2][3][4][5][6] │
└──┬───────┬─────┘ └───────┬─────────┘
↑ ↑ │
│ │ ┌─────────────┐ ↓
│ └─────┤ Regler ├<───────────┤
will─ unwill─ │ Atemzentrum │ ↑
kürlich kürlich └─────────────┘ │
Führungsgrößen:
Zentrale Einflüsse
(Schlaf─Wach─Steuerung
Arbeit, Emotionen)
Die Komplexität solcher Regelsysteme wird offenbar, wenn man die Verknüpfungen
der Atmung mit dem Herz-Kreislaufsystem, mit Muskelarbeit und den übrigen
Systemen im Organismus betrachtet. Eine Darstellung durch solch einfache Re-
gelkreise stößt schnell an Grenzen.
Physikalische und chemische Grundgesetze zum Gleichgewicht
Von den vielen Naturgesetzen, die sich auf die Physiologie des Menschen an-
wenden lassen, werden nur einige wenige zur Demonstration herausgepickt:
Zum Anfang dieses Kapitels
Gesetz von der Erhaltung der Masse
Antoine Laurent LAVOISIER (1743-1794) fand heraus, dass bei der Verbrennung
nichts verloren geht, die Verbrennungsprodukte waren sogar schwerer als der
Ausgangsstoff vor der Verbrennung. Konstanz der Masse konnte bewiesen werden,
als er die Masse des Sauerstoffs mit in die Rechnung einbrachte. Später konnte
man das Massenerhaltungsgesetz bei allen chemischen Vorgängen beweisen. Nur bei
Kernfusion und Kernspaltung werden relativ kleine Massen in Energie gemäß der
EINSTEINschen Formel E = m * c² umgewandelt. Für die Energie gilt ebenfalls
ein Erhaltungssatz, wie unten gezeigt wird.
Einfluss der Konzentrationen
In den voranstehenden Stoffwechselplänen sind oft Doppelpfeile zwischen den
Kästen angegeben (<───>, <═══>, ↑↓). Diese deuten an, dass sich zwischen den
Reaktionspartnern Gleichgewichte einstellen, d.h. Hin- und Rückreaktion laufen
ohne weitere Konzentrationsänderung ab. Für solche Reaktionen gilt erst einmal
das Massenwirkungsgesetz (MWG): "Die Geschwindigkeit einer chemischen Reak-
tion ist in einem gegebenen Augenblick proportional der aktiven Masse (sprich
Konzentrationen) der reagierenden Stoffe." [1867; C.M. GULDBERG, 1836-1902;
P. WAAGE, 1833-1900].
Die Konzentrationen sind dafür lediglich in erster Näherung gültig, genau gilt
das Gesetz nur für die Aktivitäten der allgemeinen Reaktion:
m A + n B + o C + ... <── ──> p Z + q Y + r X + ... [1]
Es bedeuten A..Z = Reaktionspartner
m..r = Anzahl der reagierenden Mole
a = Aktivität
Ka = Gleichgewichtskonstante
umgeformt nach dem MWG:
aZp + aYq + aXr ...
Ka = -------------------- [2]
aAm + aBn + aCo ...
So konstant ist die Gleichgewichts"konstante" nicht, sie hängt oft von der
Temperatur ab, die man deshalb mit angibt.
Katalysatoren beschleunigen oder bremsen (dann heißen sie Inhibitoren) die
Reaktionen, verändern aber die Gleichgewichtslage nicht. Allerdings können
Katalysatoren auch die Entstehung verschiedener Endprodukte steuern, die ohne
sie nicht entstehen würden. Katalysatoren gehen scheinbar unverändert aus den
Reaktionen heraus, obwohl sie eventuell labile Zwischenprodukte gebildet haben
könnten und wieder regeneriert wurden.
Um eine Gleichgewichtsreaktion im gewünschten Sinne ablaufen zu lassen, fügt
man in der Technik entweder vom billigeren Reaktionspartner mehr zu oder ent-
fernt das angestrebte Endprodukt fortlaufend aus dem System. Der Körper macht
das ähnlich.
Würden alle Stoffe in der Zelle frei miteinander reagieren, kämen kaum die be-
kannten Produkte heraus. Erst die Selektivität der Enzyme (das sind solche
Katalysatoren) lässt den Stoffwechsel im erkannten Sinn ablaufen. Falls sich
Reaktionsketten gegenseitig beinflussen würden, schließt die Natur die Reak-
tionen in besondere Organellen ein (wie den Zitratzyklus in den Mitochond-
rien). Zeigen die Organellen etwa durch Falten eine große Oberfläche, so ist
anzunehmen, dass die Reaktionen in sehr dünnen Schichten ablaufen, wo offenbar
die Enzyme über Proteine an die Wandungen geheftet sind.
Gleichgewichte stellen sich auch physikalisch durch Absorption und Adsorption
ein, wenn ein Stoff in benachbarten Medien unterschiedlich festgehalten wird
oder unterschiedlich löslich ist.
Energie
Der Thermodynamik genannte Bereich der Physik kennt folgende Hauptsätze
Erster Hauptsatz der Wärmelehre
"Eine Energie ist nicht weniger unzerstörbar als eine Substanz."
Äquivalenzprinzip: "Mechanische Arbeit und Wärme sind einander gleichwertig."
Energieprinzip (Grundgesetz von der Erhaltung der Energie): "In einem geschlosse-
nen Körpersystem ist die Summe der Energien konstant." [1842; J. R. MAYER,
1814-1871].
Jedes stoffliche System hat einen Betrag innerer Energie U. Bei einem abge-
schlossenen System ist dieser Beitrag konstant. Eine Änderung der inneren
Energie ist gleich dem Wärmeaustausch plus dem Austausch von Arbeit.
Die innere Energie ist unabhängig vom Weg, auf dem der betreffende Körper
in den betrachteten Zustand gebracht wurde.
Das Arbeitsvermögen eines Körpers heißt Enthalpie. Die Enthalpie I ist eine
Zustandsgröße, die gleich der Summe der inneren Energie U und der Verdrän-
gungsarbeit (Volumenarbeit) p * V ist. Bei jedem wärmedichten Prozess ist
die abgegebene oder die aufgenommene Energie (=Arbeit) gleich der Differenz
der Enthalpie vor und nach dem Prozess.
Zweiter Hauptsatz der Thermodynamik
"Wärme kann nicht von selbst von einem Körper niederer Energie auf einen
Körper mit höherer Energie übergehen." [1850; R. CLAUSIUS, 1822-1888]
Alle realen Prozesse sind von irreversiblen Nebenvorgängen begleitet, die es
verhindern, dass der alte Zustand wieder erreicht wird. In diesem Verlaufe
wandelt sich Energie letztendlich in Wärme um. Wärme ist eine Energie mit
niedrigem Ordnungszustand (bzw. größerer Unordnung). Das Maß für den Ordnungs-
zustand heißt Entropie S. Die Entropie wächst auch, wenn ein hoch organisier-
tes System (ein "Organismus") entsteht, da beim Stoffwechsel Wärme entstanden
ist. Daraus folgt auch, dass es kein Perpetuum mobile gibt: "Es ist unmöglich,
eine periodisch arbeitende Maschine zu konstruieren, die weiter nichts bewirkt,
als eine Last zu heben und einem Wärmebehälter dauernd Wärme zu entziehen."
[M. PLANCK, 1858-1947]
Daraus lassen sich auch thermochemische Gesetze herleiten:
Erstes thermochemisches Gesetz
"Zu Zerlegung einer chemischen Verbindung in die Elemente ist die dazu erfor-
derliche Wärme ebenso groß wie die bei der Bildung dieser Verbindung aus den
Elementen freigesetzten Wärme." [1780; P.-S. LAPLACE 1749-1827]
Zweites thermochemisches Gesetz
"Die Wärmetönung einer gegebenen chemischen Reaktion gleicht der Summe der
Wärmetönungen aufeinander folgender Zwischenreaktionen, die von denselben
Anfangsstoffen ausgehen und dieselben Endstoffe ergeben, wie die in einer
einzigen Stufe durchgeführte Reaktion." [1840; G. H. HESS 1802-1850]
Das Prinzip von Aktion und Reaktion = Prinzip des kleinsten Zwanges
"Eine Störung des Gleichgewichts durch äußeren Einfluss (Aktion) ruft einen
Vorgang hervor (Reaktion), der nach der Aufhebung der Wirkungen dieses Ein-
flusses strebt." [1884; LE CHATELIER, 1850-1936; K.F. BRAUN, 1850-1918]
Das Prinzip besagt, dass eine Wirkung ihrer Ursache entgegenwirkt.
Einfluss der Temperatur
Die Geschwindigkeit von Reaktionen erster Ordnung beschreibt eine Differential-
gleichung dc
- ──── = k * c [3]
dt
bzw. integriert
c = co * e-kt [4]
darin bedeuten
c = Konzentrationen
e = 2,71828.., Basis der natürlichen Logarithmen
t = Zeit
k = Geschwindigkeitskonstante bei bestimmter Temperatur
Für Reaktionen zweiter Ordnung (Partner A und B) gilt
dcA dcB
- ─── = - ─── = k * cA * cB [5]
dt dt usf.
Bei höheren Temperaturen laufen die Reaktionen schneller ab, als Faustregel
rechnet man pro 10 °C mit einer Steigerung um das Zwei- bis Vierfache.
So ein Risiko geht der menschliche Körper nicht ein, er hält die Temperatur
so gut es geht konstant. Man müsste mal untersuchen, ob das Fieber eingedrun-
gene Krankheitserreger tatsächlich durch erhöhte Temperatur abtöten will oder
ob bei höheren Temperaturen andere, giftige Stoffwechselprodukte erzeugt wer-
den, die die Erreger töten könnten.
Zum Anfang dieses Kapitels
Elektronenflüsse
Bei den Reaktionen sind in den meisten Fällen Elektronen beteiligt, in Form
von Hydroxylionen OH- oder in fehlender Form als Wasserstoffion H+ ver-
körpert, nichtsdestotrotz werden elektrische Ladungen transportiert. Man be-
achte, dass die Stromrichtung die Richtung der positiven Ladungsträger ist,
die Elektronen bewegen sich demnach entgegengesetzt zur Stromrichtung.
W. H. NERNST (1864-1941, Nobelpreis 1920) hat eine viel benutzte Beziehung
aus analogen Folgerungen zur Druckgleichung eines idealen Gases hergeleitet;
zur Erinnerung die Gasgleichung:
p * V = n * R * T [6]
Darin bedeuten
p = absoluter Druck des Gases
V = Volumen
n = hier: Anzahl der Mole
T = absolute Temperatur in K
R = Allgemeine Gaskonstante
R = 8,314 J/grd = 8,314 Ws/grd = 1,987 cal/grd
Die NERNSTsche Gleichung stellt die Zusammenhänge zwischen einer elektromo-
torischen Kraft (EMK), dem elektrolytischen Lösungsdruck und dem osmotischen
Druck dar: R * T P
E = - ─────── * ln ──── [7]
n * F Pi
oder als Potentialdifferenz bei Redoxreaktionen
R * T cred
E = Eo - ─────── * ln ──── [8]
n * F cox
darin bedeuten
E = Potentialdifferenz
Eo = Normalpotential
n = hier: Wertigkeit
F = FARADAYsche Konstante = 96490 As (As=Coulomb)
P = Lösungsdruck
Pi = osmotischer Druck der Ionen
cred = Konzentration des reduzierten Partners
cox = Konzentration des oxidierten Partners
Um ein Gefühl für die auftretenden Potentiale zu vermitteln, hier einige
Redoxpotentiale der Atmungskette [2]; (siehe Atmungskette
(Man verinnerliche auch das zweite thermochemische Gesetz):
+ 0,82 V H2O / 1/2 O2
+ 0,2 V Cytochrom c1/c
+ 0,1 V QH2/Q
0,0 V FADH2/FAD
- 0,32 V NADH + H+/NAD+
Gesamt 1,14 V bei 25 °C
Schon vorn war bei der Atmungskette angegeben, dass zwischen den Wänden der
inneren Mitochondrienmembran ein Potential von 200 mV besteht. Die große Ober-
fläche in den Mitochondrien zeigt den Trick der Natur an, mit dem sie Kurz-
schlüsse vermeidet und die Sicherung des Stoffaustausches an molekular dünnen
Oberflächen.
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Das WEBER-FECHNERsche Gesetz
Bei Lautstärken und Helligkeiten fand man, dass die physikalisch gemessenen
Intensitäten I nicht linear, sondern logarithmisch abgeschwächt empfunden wur-
den. W. E. WEBER (1804-1891) und G. T. FECHNER (1801-1887) fanden für einen
mittleren Bereich von Reizstärken I
I2
E2 - E1 = k * log ----- [9]
I1
Die Empfindungsstärke E wächst proportional dem Logarithmus der Reizstärke I,
durch diesen Zusammenhang sind auch die Antwortreaktionen des Körpers abge-
mildert. Bei Lautstärken ist die Maßeinheit Phon (bei 1000 Hz = deziBel dB,
die Konstante k=20). Eine Verdopplung des objektiven Schallpegels äußert sich
lediglich in einer Erhöhung um 3 dB.
LITERATUR
[1] TIEDT, N., U. ZWIENER: Taschenbuch der Pathophysiologie, Gustav Fischer
Verlag Jena 1982
[2] GROß, W., K. RING, E. LODEMANN: Physiologische Chemie, VCH Verlagsges.
Weinheim 1989
[3] CHRISTIAN, W.: Technische Wärmelehre, Bergakademie Freiberg, 5. Aufl. 1963
[4] BRDIĈKA, R.: Grundlagen der physikalischen Chemie, Deutscher Verlag der
Wissenschaften Berlin 1958
[5] SALWAY, J. G.: Routenplaner Stoffwechsel, Georg Thieme Stuttgart 2000
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