Zurück zur Startseite
Voriges Kapitel Gänsedistel
Folgendes Kapitel Gagelstrauch

GÄNSEFUß

 
NAMEN
(1) Weißer Gänsefuß, Falsche Melde
Chenopodium album L.
(2) Dorfgänsefuß, Guter (Stolzer, Roter) Heinrich, Spargelspinat, Mehlspinat,
Hundszunge, Hundsmelde, Heilkraut, Wundkraut

Chenopodium bonus-henricus L.
F: Arroche bon-henri
(3) Kopfiger Erdbeerspinat, Beermelde, Bauernschminke
Chenopodium capitatum (L.) ASCHERS.
(4) Durchblätterter Erdbeerspinat, Echter Erdbeerspinat
Chenopodium foliosum (MOENCH) ASCHERS.
(5) Quinoareis, Quinoamelde, Reismelde, Peruanischer Reis, Peruspinat
Chenopodium quinoa WILLD.
(6) Stinkender Gänsefuß
Chenopodium vulvaria L.
(7) Wohlriechender Gänsefuß, Mexikanischer Tee, Jesuitentee, Karthäuser_Tee,
Spanischer Tee

Chenopodium ambrosioides L. var. ambrosioides
(8) Mexikanisches Traubenkraut, Wurmsamen, Wurmtreibender Gänsefuß, Epazote
Chenopodium ambrosioides L. var. anthelminticum GRAY

BOTANIK: Fam. Amaranthaceae (früher Chenopodiaceae, Gänsefußgewächse).
Unterfamilie Chenopodioideae. Gattung Chenopodium mit etwa 100 Arten. [5]
Allein in Mitteleuropa sind 60 Arten heimisch. Sie lassen sich nicht immer
leicht unterscheiden. Wenn man herausfinden möchte, ob ein Gänsefuß essbar
ist, so zerreibt man ein Blatt zwischen den Fingern. Ist der Geruch widerlich,
so ist er nicht genießbar.
Da nicht viel Ähnlichkeiten herzustellen sind, werden die hier interessierenden
Arten im einzelnen Block beschrieben.

(1) Weißer Gänsefuß
Einjährig. Höhe 0,1..1,5 m, Blätter fast rautenförmig, untere ungleich
gezähnt, obere lanzettlich, blaugrün. Die ganze Pflanze ist mehlig be-
stäubt, Blattunterseiten weiß mehlig.
Blüte Juli bis Oktober, grün, geknäuelt, 2n=54. 2000..5000 Samen je Pflanze.
Samen über 40 Jahre im Boden keimfähig.
Bilder Weißer Gänsefuß 1 Weißer Gänsefuß 2
Vorkommen an trockenen bis frischen Schuttstellen, Wegrändern, Äcker,
Gärten. Stickstoffzeiger.
Samenunkraut, Nährpflanze des Rübenschildkäfers, verbraucht als Unkraut-
pflanze soviel Wasser wie etwa Speiseerbse (2,5 g Wasser je g Pflanzen-
masse in 3 Tagen); bis zum 4-Blattstadium mit Wuchsstoff- und Kontakther-
biziden bekämpfbar.
Die Blätter vor der Blüte und junge Triebspitzen liefern ein mildes,
spinatartiges Gemüse, das 100 mg% Vitamin C enthält.
Die Samen enthalten u.a. 4,7 % fettes Öl (Fettsäuren 17 % 16:0; 38 % 18:1;
26 % 18:2). Man kann die Samen wie Buchweizen zu Grütze zubereiten oder
als Vogelfutter verwenden.

(2) Dorfgänsefuß, Guter Heinrich
Ausdauernd. Höhe 0,15..0,7 m. Stengel aufrecht, kantig, grün, manchmal röt-
lich. Blätter groß, dreieckig..spießförmig..pfeilförmig, langgestielt, dun-
kelgrün, dick, fleischig. Pflanzen mehlig bestäubt, etwas klebrig.
Rübenartiges Rhizom. Blüte Mai bis August in weißlichgrüner Scheinrispe,
unscheinbar. 2n=36. Knäuel in endständiger Rispe, Samen schwarz..braun,
Reife Juni bis September.
Bilder Guter Heinrich Guter Heinrich
Vorkommen auf stickstoffreichen (nitratreichen), kalkhaltigen Böden, Weg-
ränder, Schuttstellen, Dungplätze. Ohne besondere Ansprüche, Anbau auf tief-
gründigem, humosen Boden in vollsonniger Lage.
Zum Gemüseanbau war üblich Direktaussaat ins Freiland von Anfang April bis
Mitte Mai sowie von Mitte August bis Anfang Oktober, Reihenabstand 50 cm,
Abstand in der Reihe 20..35 cm, zu dichte Aussaaten vereinzeln. Pflege wie
Mangold oder Spinat, hacken, aber auch Mulchen mit Stroh oder Laub. Bereg-
nung bei Trockenheit verbessert die Blattqualität. Wenn man beizeiten an-
häufelt oder durch übergestülpte Eimer abdeckt, erhält man bleiche Triebe
(Spargelspinat), die bei 10 cm Länge wie Spargel noch vor diesem (Ende März
bis Anfang April) zu ernten sind. Auch die im zweiten Jahr erscheinenden
Blütenknospen sind schmackhaft. Im zweiten Jahr nach der Aussaat erhält man
höhere Erträge von 1,5..2 kg/m², an gebleichten Trieben 0,6 kg/m², an Blatt-
knospen bis 0,3 kg/m². In dem wie Spinat zu nutzenden Gemüse befinden sich
bis 200 mg Vitamin C je 100 g, aber auch Oxalsäure.[3]
Sonst aber aus Wildaufkommen von April bis Mai zu sammeln.

(3) Beermelde, Erdbeerspinat
Einjährig. Lichtkeimer, Keimdauer bis zu drei Wochen. Höhe 0,2..0,6 m.
Blätter schwach gezähnt bis ganzrandig. Blüte Juni bis August, in größeren
zur Scheinähre geordneten Blütenknäueln, 2n=18. Die Sammelfrüchte (Schein-
beeren) sind dekorativ scharlachrot, saftig, essbar, früher als ländliches
Schminkmittel verwendet. Blätter wie Spinat zuzubereiten.
Vorkommen an Schuttstellen, Wegrändern, auf frischem Boden. Aussaat April
bis Mai ins Freiland, Reihenabstand 25 cm, in der Reihe 20..30 cm.
Bilder Erdbeerspinat 1 Erdbeerspinat 2
(4) Durchblätterter Erdbeerspinat
Einjährig. Höhe 0,15..0,6 m. Blätter tief gezähnt. Blüte von Juni bis Au-
gust, in Knäueln in den Tragblattachseln. 2n=18.
Vorkommen an mäßig trockenen bis frischen Schuttstellen. Früher als Gemüse-
pflanze (zubereitet wie Spinat) angebaut.

(5) Quinoamelde (gesprochen "kienwa")
Einjährig kultiviert. Wechselständige, gelappte Blätter, Höhe bis 1,5 m.
Dichte Blütenstände, selbstbestäubt. Samen hirsegroß (2 mm), klein, hell,
nuss- bis kürbisartiger Geschmack.
WERT
In 100 g sind enthalten:
60 % Stärke, 15..21 % Proteine! (je höher die Anbaulage, umso mehr Protein,
es enthält besonders viel von der Aminosäure Lysin), 5 % fettes Öl; Mine-
ralstoffe (114 mg Ca, 710 mg K, 240 mg Mg!, 114 mg Fe! 4,3..6,8 mg Zn);
Vitamine (0,28 mg B1; 0,35 mg B2; 4,4 mg C; 4,7 mg E!, 0,48 mg Karotin).
Nährwert des Korns wie Kuhmilch.
In den Samenhüllen befinden sich die Quinoasaponine 1 bis 5, die eine Ent-
bitterung durch Kochen nötig machen, sofern sie nicht durch Abschleifen der
Schalen weitgehend entfernt sind. Als Alternative bei Zöliakie bzw. Sprue
durch den niedrigen Kleberanteil (glutenfrei), es kann aber auch durch die
Bitterstoffe eventuell unverträglich für Kleinkinder sein.
Für 4 Personen sind etwa 200 g Quinoa zu waschen, mit der dreifachen Menge
Wasser zu kochen, 15 min bei milder Hitze ausquellen lassen, bis die Kör-
ner glasig sind (bzw. 25 min Garzeit und 10 min Nachquellen). Das Ablösen
der kleinen weißen Ringe (der Keimblätter) ist normal.
Beliebige Weiterverarbeitung, süß oder herzhaft, es gelten die Reisrezepte,
zu Grütze; geröstet und gemahlen mit Weizen- oder Dinkelmehl zu aromati-
schem Brot. Mehl aus der Mühle ist weitgehend bitterstoffrei, da die Samen-
hüllen dabei entfernt werden, für sich allein ist Quinoamehl nicht back-
fähig. Die Blätter liefern ein spinatartiges Gemüse (Reisspinat).
VORKOMMEN
Kultiviert in den Anden Chiles, Perus und Kolumbiens bis 4500 m Höhe.
Frost- und dürreresistent, verträgt Trockenheit, brennende Sonne und Kälte.
Boden sandig, nährstoffarm. Keimdauer 3..14 Tage, Dunkelkeimer.
Züchterische Bearbeitung (Ertragssteigerung, saponinfreie Sorten) könnte
den Anbau von Quinoa auch in Europa interessant machen.
Aussaat Anfang März bis Anfang April ins Freiland, vereinzeln auf 25 x 25
cm Abstand. Bei Samenreife ist Schutz vor Vogelfraß angebracht.

(6) Stinkender Gänsefuß
Einjährig. Höhe 0,15..0,4 m. Stengel liegend, kriechend. Blätter kleiner
als 3 cm, ganzrandig, rautenförmig, beim Zerreiben stark nach Heringslake
(Trimethylamin) riechend. Blüte Juni bis September, 2n=18.
Bild Stink-Gänsefuß
Unkraut an Wegrändern, auf Äckern, stickstoffreichen Schuttstellen.
Bekämpfung durch Wuchsstoff- und Bodenherbizide.
Für die Homöopathie gelegentlich kultiviert. Dazu sät man Ende April bis
Anfang Mai ins Freiland aus, Reihenabstand 20..25 cm. Wegen der kriechenden
Stengel vorsichtig hacken. Ernte des Krautes im August. [1]
Das Kraut enthält bis 1 % Betain. Blutdrucksteigernd.

(7) Wohlriechender Gänsefuß
Ausdauernd, meist einjährig kultiviert, schon im ersten Jahr fruchtend.
Verzweigter, gefurchter, rötlicher Stengel, Höhe 0,25..0,8 m, bei guter
Kultur 1 m. Blätter wechselständig, länglich-lanzettlich, entfernt gezähnt
bis ganzrandig, unterseits drüsig behaart. Geruch stark aromatisch nach
Zitrone und Kampfer. Blüte Juni bis September, knäuelige Rispen in Blatt-
achseln, Blütenschwänze beblättert, 2n=32. Samenknäuel aus 2..3 mm großen
Achänen. Bild Wohlriechender Gänsefuß
Kann im Freiland kultiviert werden an sonnigen Stellen mit nahrhaftem, gut
vorbereiteten Gartenboden. Aussaat im März unter Glas, Keimdauer 10..28 Tage
bei 18 °C. Lichtkeimer. Nach dem Pikieren bis Mitte Mai noch unter Glas. Ab-
härten. Auspflanzen im Reihenabstand von 30..40 cm.
Ernte des blühenden Krautes von August bis September. [1].
Drei Schnitte sind möglich, das Kraut (Herba Chenopodii) muss in dünner
Schicht getrocknet werden. Es enthält bis 0,7 % ätherisches Öl (Geruch nach
Geraniol [2]) und Saponine.
Als Aufguss wirkt es belebend, magenstärkend, bei Nerven-, Magen- und Erkäl-
tungskrankheiten, Zungenlähmung, Wurmmittel, Motten vertreibend. Daueranwen-
dung der Droge und des Öls sind schädlich, weshalb sich Selbstbehandlung
verbietet.

(8) Mexikanisches Traubenkraut, Wurmsamen
diese Unterart von (7) wird in Mittelamerika gegen Eingeweidewürmer ein-
gesetzt; die Inkas haben damit Leichen mumifiziert.
Kraut 0,3..0,6 m hoch, Blätter wechselständig, bis 10 cm lang. Blüten grün-
lich, 1 mm groß, in knäueligen Wickeln.
Anbau und Ansprüche wie (7); Ernte des frischen Krautes Mitte September.
Das Kraut enthält 0,2..0,3 % widerlich riechendes ätherischen Öl (Oleum
Chenopodii
, darin 1..20 % Ascaridol, 57 % L-Pinocarvon, Aritason) und
Triterpensaponine. [2][4]
Aus den Samen wird ebenfalls ätherisches Öl, das Wurmsamenöl, Oleum Cheno-
podii anthelmintici
, destilliert. Es ist gelblich bis farblos, riecht eigen-
tümlich, schmeckt brennend bitter.
Ascaridol ist ein starkes wurmtreibendes Mittel (Spulwürmer, Hakenwürmer),
auch gegen Magenschmerzen und schlecht heilende Wunden. Bei Überdosierung
treten auf Bewusstlosigkeit, Krämpfe, Lähmungen, Störungen des ZNS, Blut-
drucksenkung, Blutungsbereitschaft bis zur Anämie, Tinnitus. Langdauernde
Genesung. Zu Kosmetika verboten. [4] Das Öl durfte nur tropfenweise verwen-
det werden, namentlich bei Kindern traten Todesfälle auf.

Die Gänsefußarten sind zu 30 % an Heuschnupfen beteiligt. [4]

HISTORIE
Der Gattungsname ist die griechische Form von "Gänsefuß": chenos = der Gans,
podion = Füßchen.
"Heinriche" gibt es mehrere: Der Schmutzige H. ist ein mehliger Gänsefuß, der
Stolze ist entweder der Natternkopf oder der Blutweiderich, der Rote ein Ampfer,
der Eiserne der Vogelknöterich, und der Böse Heinrich das Bingelkraut.

LITERATUR
[1] SANDHACK, H.A.: "Die Kultur der Heilpflanzen", Neumann Verlag Radebeul
Berlin 1953
[2] GILDEMEISTER, E.: "Die ätherischen Öle", Verlag der Schimmel & Co. AG,
Miltitz, 3. Aufl.1929, Bd. II, S.535-548.
[3] VOGEL, G.: Guter Heinrich, TASPO Gartenbaumagazin (1995) 2, 57
[4] ROTH/DAUNDERER/KORMANN: Giftpflanzen Pflanzengifte, Nikol Hamburg,
4. Aufl. 1994
[5] Fuchsschwanzgewächse: http://de.wikipedia.org/wiki/Fuchsschwanzgew(ä)chse
(31.12.2007)

Zum Anfang dieses Kapitels