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KAMILLE

 
NAMEN
(1) Echte Kamille, Mutterkraut, Mägdekraut, Kindbettblume
Chamomilla recutita (L.) RAUSCHERT ssp. recutita (syn. Matricaria chamo-
milla L. auct. ssp. recutita RAUSCH.)

E: wild camomile, F: camomille, I: camomilla, J: kamomiru, P: rumianek,
R: romajska (romaschka), S: manzanilla, U: kamilla
(2) Strahlenlose Kamille
Chamomilla suaveolens (PURSH) RYDB. (syn. Matricaria matricariodes auct.)
(3) Falsche Kamille, Geruchlose Kamille
Matricaria maritima L. ssp. inodora (L.) DOSTAL
( ) Römische Kamille, Hundskamille siehe Hundskamille

BOTANIK: Fam. Asteraceae (Korbblütler)
(1) Einjährig, einjährig überwinternd, Stengel aufrecht, oben ästig, Höhe
15..40 cm. Blätter zwei- bis dreimal fiederspaltig, mit schmalen stachel-
spitzigen Zipfeln. Blüte Mai bis September, Köpfchen gelb, weiße Zungen-
blüten, hohler Blütenboden (charakteristisches Merkmal!), 2n=18, tetra-
ploide Züchtungen. Frucht (Achäne) ohne Haarschopf, 0,8..2 mm. Ganze Pflan-
ze duftet angenehm.
Bild 1 Bild 2 Bild 3
Kamille-Samen
(2) Einjährig. Stengel dicklich, von unten an verzweigt, Höhe 5..30 cm.
Blüte Juni bis August, die weißen Zungenblüten fehlen im Unterschied
zur Echten Kamille; der Blütenboden ist stark gewölbt, aber nicht hohl.
2n=18. Rund 5000 Samen (bis 200000!) je Pflanze.
(3) Ausdauernd, einjährig. Stengel aufrecht, an der Spitze verzweigt. Höhe
10..45 cm. Blätter dünn. Blüte Juni bis Oktober, Zungenblüten 10..20 mm
lang; 2n=36. Eine Pflanze erzeugt 10000..20000 Samen.

WERT
(1) Die Blüten (Matricaria flos) enthalten 0,3..1,5 % ätherisches Öl
(lt. EAB mindestens 4 ml/kg TM) (darin 5..10 % Chamazulen, entspricht dem
Lacton Matrizin (oder Proazulen), alpha-Bisabolol (ein Sesquiterpenal-
kohol) und Farnesen, Polyine wie Dicycloether, Angelicasäure-Ester,
Isobuttersäureester), etwa 18 Flavone (Apigenin, Luteolin, Querce-
tin
, Rutin), über 0,4 % Bitterstoffglykoside (Anthemissäure), Herniarin
(=Methoxycumarin). Das Matrizin geht in Chamazulen über, dadurch hat das
Öl eine blaue Farbe. Das Kamillenöl (Matricaria aetheroleum) soll
13..45 % Farnesen, bis 45 % Bisabololoxid A und B und Bisabolonoxid, 10..
30 % Levomenol, 3..7 % Chamazulen aufweisen. [7]
Schweißtreibend, krampflösend, keimtötend, entzündungshemmend. Bei Leber-,
Magen-, Gallen- und Menstruationsbeschwerden. Es werden hin und wieder
Allergien durch das Sesquiterpenlakton Anthecotulid beobachtet. Kamille eig-
net sich nicht für Augenspülungen, im Aufguss sind kleinste augenreizende
Blütenteilchen, während in der Tinktur der Alkohol stört.
(2) Trotz des Geruches wie die Echte Kamille hat sie nicht die Heilkraft jener,
wirkt aber als Tee krampflösend. Ersetzt in kälteren Gegenden die Echte
Kamille. Sie enthält weniger ätherisches Öl als jene, aber auch Glykoside,
Gerbstoffe, Bitterstoffe. Verwendung wie die Echte Kamille, hat keine ent-
zündungswidrige Wirkung, ist aber blähungsmildernd, schweißtreibend, des-
infizierend. Für Mundspülungen, Bäder.
Samenunkraut, in 5 Tagen verbraucht 1 g Pflanzenmasse 13,5 g Wasser (zum
Vergleich: 1 g Kartoffelpflanze braucht nur 2,3 g!).

KENNZAHLEN
(1) TKM=0,05..0,1 g. (Reihenabstand 25 cm), Saatgutbedarf 0,2..0,3 g/m².
Sätiefe bis 5 mm (Lichtkeimer). Keimdauer 7..14 Tage.

ANSPRÜCHE
(1) Sonnige, warme, nicht zu trockene Lage. Besserer Boden bevorzugt, leichter,
sandiger Lehm, kalkarm, humos. Winterhart.
(2) Frische, stickstoffreiche Schuttstellen, Wegränder.
(3) Nährstoffreiche Äcker, frische bis mäßig trockene Schuttstellen.

FRUCHTFOLGE
(1) Als Mischfrucht: Zwiebeln

DÜNGUNG
(1) Grunddüngung: je m² 2,4 g P, 8..10 g K, 3..4 g N.
Kopfdüngung: Nach Überwinterung zeitig 3 g N/m².

ANBAUPRAXIS
(1) Flache, breitwürfige Aussaat März bis Juni oder besser zur Überwinterung
August bis Ende Oktober. Hacken zur Bekämpfung des Unkrautes. Wegen der
medizinischen Verwendung wird die chemische Unkrautbekämpfung im Nachauf-
laufverfahren mit Chlorpropham, 2,4-DB, MCPB oder Prometryn nicht empfoh-
len. Nach der letzten Pflücke mäht man ab, damit nicht die Samen nachrei-
fen und damit die Kamille zum Unkraut machen.
Für die Samengewinnung dagegen muss die Reife abgewartet werden. Der tau-
feuchte Bestand wird frühmorgens abgemäht, im Schatten getrocknet und ge-
droschen; Ertrag an Samen 8 g/m².
(2) Chemische Bekämpfung u.a. mit Chloralhydrat, Chorpropham, Dinosebacetat,
2,4-DB, DNOC, Ethofumesat und Prometryn möglich.
(3) Samenunkraut. Chemische Bekämpfung mit den unter (2) genannten Wirkstof-
fen. Bodenherbizide wirken sicherer als Wuchsstoffherbizide.

ERNTE
(1) Ernte während der Vollblüte Mai bis August in 3..5 Pflückgängen zur Mit-
tagszeit mit einem Kamillenkamm. Blüten sorgfältig in bis zu 35 °C warmen
Luftstrom trocknen, die Blüten sind nicht zu wenden, sie sind druckemp-
findlich und zerfallen leicht, vor allem wenn sie zu spät geerntet werden;
bei der Aufbereitung werden daher verschiedene Fraktionen abgesiebt [1].
Die Stiele sollen nicht länger als 1..2 cm sein.
Ertrag an Blüten 60..150 g/m²; sie sind maximal 18 Monate vor Licht ge-
schützt lagerbar.

VERWERTUNG
(1) Blüten als Tee oder Tinktur bzw. Extrakt gegen Ekzeme, Wunden, Geschwüre,
Verbrennungen, neuralgische Schmerzen, als Nerven- und Beruhigungsmittel
und Haarpflegemittel.
Tee: 2 Teel. auf 2 Tassen kochendes Wasser, nicht aufkochen! 15 min ziehen
lassen. Äußerlich die Menge verdoppeln. Als hochwirksames Mittel ist Kamil-
lentee nicht als Haustee für alle Tage geeignet.

ARBEITSKALENDER
(1) 8.. 10 Aussaat oder
3.. 6 Aussaat
4.. 6 Unkraut ziehen
5.. 8 3..5 Erntegänge
8 Abmähen

SORTEN
Bodegold (tetraploid), Degumill, Manzana, Pokorelicky, Quedlinburger
Großblütige, Zloty Lan
[2]

HISTORIE
Im Gattungsnamen stecken chamai = zwerg-, niedrig-, erd- und melon = Apfel,
angeblich wegen des apfelartigen Geruchs (?).
Matricaria weist auf matrix = Mutter, Gebärmutter hin und heißt deshalb ne-
ben anderen Arten auch Mutterkraut.

LITERATUR
[1] Pharmazie 45(1990), 3, 211
[2] Seifen-Öle-Fette-Wachse (1987), 1, 13: "Neue Kamillensorten.."
[3] DÖRFLER, F.; G. ROSELT: "Unsere Heilpflanzen" Urania-Verlag Leipzig-Jena-
Berlin 7.Aufl. 1976
[4] BÄSSLER, A.: "Heilpflanzen erkannt und angewandt", Neumann Verlag
5. Aufl. 1966
[5] BÖRNGEN, S.: "Pflanzen helfen heilen", Verlag Volk und Gesundheit Berlin
12. Aufl. 1985
[6] EAB 4.Ausg. (2002) 4.00/0404, S. 2176: Kamillenblüten
[7] DAB 1999: Kamillenöl

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