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KULTURTRÄUSCHLING

 
NAMEN: Kulturträuschling, Braunkappe, Schokoladenpilz,
Stammform Rotbrauner Riesenträuschling

L: Stropharia rugoso-annulata FARL. ex MURR.

BOTANIK: Fam. Strophariaceae (Schuppenpilze)
Hutpilz mit Lamellen. Hutdurchmesser 6..15 cm. Hut braun, gewölbt bis flach
oder eingedrückt, trocken. Lamellen angewachsen, Sporen erst lila, später
schwarzbraunviolett. Stiel glatt, weiß; dicker, meist doppelter Ring.
Auffallend lange, meist verzweigte Wurzelstränge.

WERT
Mild würziger, fester Speisepilz mit weißem Fleisch. Manche Menschen reagie-
ren auf diesen Pilz allergisch mit Übelkeit, Erbrechen und Durchfall (Ver-
giftungssymptome wie beim Fliegenpilz), daher zählen ihn [3] zu den Giftpil-
zen. Verfälschungen von Steinpilzprodukten durch den Kulturträuschling werden
durch Allergiker leicht offenbar.

KENNZAHLEN
Strohbedarf 20..25 kg/m². Ertrag im Frühbeet 5..25 kg/m², im Freiland bis
12 kg/m².

ANSPRÜCHE
LUFT, LICHT, WÄRME
Warmer, windgeschützter Standort (Frühbeetkästen, Folienzelte, nur notfalls
Freiland). Unter Glas und Folie ist bei Fruchtkörperanfall und zu hohen Tem-
peraturen zu schattieren und gut zu lüften. Optimale Beettemperatur ist
20..25 °C, minimal 15 °C, maximal 30 °C.

SUBSTRAT
Als Substrat dient unzersetztes Getreidestroh (Roggen, Weizen) oder Flachs-
stroh. Für 4 m² Beetfläche werden etwa 5 Ballen Pressstroh benötigt, die 24
Stunden lang in Wasser zu tauchen sind. Wenn das Stroh mehrere Tage einge-
weicht werden muss, ist zur Vermeidung von Fäulnis das Wasser täglich zu wech-
seln; wird das Wasser nur mit einem Schlauch zugeführt, nimmt das Anfeuchten
unter häufigem Wenden sogar ein bis drei Wochen in Anspruch. Das Stroh muss
sich nach dieser Vorbereitung feucht und faserig anfühlen und gelb bis gelb-
grau aussehen.
Eine andere Methode besteht im Lösen der Bindfäden, Eintauchen in heißes Wasser
für zwei Stunden, abkühlen lassen auf 25 °C, impfen zwischen Scheiben von 5 cm
und wieder zusammenbinden.

Deckerde
Man mischt 3..5 Teile Torfmull, 2 Teile leimfreie Sägespäne (die gleichmäßi-
gen Besatz gewährleisten sollen) und 3 Teile gute, kalkfreie Komposterde.
Letztere soll nicht tonig, stark lehmig oder sandig sein. Eine andere Mischung
besteht aus 5 Teilen Nadelerde, 4 Teilen Torf und 1 Teil Sägespäne.

WASSER
Der Pilz geht bei zu großer Trockenheit und bei Staunässe zugrunde, demzufolge
muss der Untergrund des Beetes durchlässig sein. Als Verdunstungsschutz sind
alte Säcke, Lappen oder Wellpappe aufzulegen und mindestens wöchentlich mit
Wasser zu übersprühen. Beim Befeuchten soll kein Wasser in die darunterliegen-
de Strohschicht laufen.

ANBAUPRAXIS
Die Pilzbrut in Rollen von 1 Liter Volumen kann bis zu mehreren Monaten im
Kühlschrank bei 2..5 °C aufbewahrt werden, sie soll reinweiß aussehen (nicht
verfärbt). Bei Zimmertemperatur würde sie nach 3..4 Tagen mit dem Wachstum
beginnen.
1. Standardverfahren
Für den Anbau eignen sich besonders Frühbeete oder Kastenrahmen von 45 cm
Höhe, der bis zu 10 cm tief in durchlässige Erde eingesenkt wird. Vom Boden
her dringen kaum Schädlinge oder Krankheitserreger ein.
In dem Kasten wird das triefnasse Stroh (Wasseranteil 70 %) schichtweise
festgetreten bis zu einer Höhe von 25..30 cm. Die üblichen Hochdruckballen
sind für die Anlage eines Beetes noch nicht fest genug gepresst.
Zum Spicken bricht man für 1 m² eine Rolle Brut in höchstens hühnereigroße
Stücke und bringt diese in 5..8 cm Tiefe ein.
Nunmehr belegt man die Beetoberfläche mit nassen Säcken oder Wellpappe als
Verdunstungsschutz und zur Verteilung des auftreffenden Gießwassers. Die
Fenster werden aufgelegt.
Nach etwa 5 Wochen hat das Myzel das Stroh soweit durchsponnen, so dass das
Abdecken mit Erde erfolgen kann. Um das Myzel nicht zu ersticken, wird emp-
fohlen, in zwei Etappen mit jeweils 2,5 cm Erde im Abstand von zwei Wochen
abzudecken. Jedesmal wird die Wellpappe wieder aufgelegt, sie kommt erst
weg, wenn auch die Deckerde durchwachsen ist - doch auch danach darf die
Deckschicht nicht austrocknen oder verkrusten. Mit den ersten Fruchtkörpern
ist nach weiteren zwei Wochen zu rechnen; unter Glas und Folie ist dann gut
zu lüften.
Durch den Einbau senkrechter Trennwände in das Substrat werden Stellen
geschaffen, an denen verstärkt Fruchtkörper auftreten.
War der Ertrag im ersten Jahr zu gering, kann man auf eine Nachernte im zwei-
ten Jahr hoffen.
2. Mein ehemaliger Nachbar G. LOTZE hatte das Verfahren 1 dadurch modifi-
ziert, dass er auf das beimpfte Stroh Polyäthylenfolie statt der Wellpappe
aufbrachte, in die als Wanne ausgebildete Folie kam eine Schicht von 10 cm
Wasser. Dadurch wurden folgende Effekte erzielt: Ständiger Druck auf das
Substrat, dadurch muss das Myzel nicht so sehr "durch die Luft wachsen";
gleichmäßige Temperatur im Substrat; Gießen ist nicht erforderlich, weil
kein Wasser verdunsten kann. Sobald das Substrat weiß wird, was leicht zu
sehen ist, wird das Wasser abgehebert, die Folie entfernt und Deckerde auf-
gebracht.
3. Während im Normalfall das Beet Mitte Mai angelegt wird, kann man es auch
gleich auf eine Ernte im nächsten Frühjahr absehen, indem man das Beet
erst von August bis Ende September anlegt und Mitte Oktober mit Deckerde,
einer 25 cm hohen Laubschicht oder den Fenstern abdeckt.
Die Ernte ist ab Mitte Mai zu erwarten. Der Vorteil: Man kann frisches
Stroh vom Herbst verwenden, außerdem ist die Erntezeit verlängert.
4. Der Herbstanbau kann gleich mit Strohballen erfolgen. Diese werden gründlich
bewässert (Gewicht beachten! Trocken 13 kg, nass 35..40 kg!). Beimpft wird
Mitte bis Ende September. Die Ballen liegen den Winter über an schattiger
Stelle im Garten. Je nach Temperatur darf man ab Mitte Mai Fruchtkörper
erwarten. Wenn der erste Pilz herausschaut, muss man den Strohballen abtas-
ten, da bis zu 3/4 des Ertrages mitten im Stroh stecken.
5. Statt Stroh kann man Rindenmulch in 25 cm hoher Schicht beimpfen. Der
Ertrag hält etwa 3 Monate an, dann sind die Nährstoffe aufgebraucht. Durch
die Pilze zersetzt sich die Mulchschicht schon in knapp 2 Jahren, was
sonst 3 bis 4 Jahre dauert.
6. Durch Ausbringung von Substrat wie Stroh, Laubholzspäne als Mulch unter
Sträuchern bringen den Kulturträuschling als "Gartenpilz" zu Gelegenheits-
ernten.

ERNTE
Die Fruchtkörper wird vorsichtig herausgedreht, in das entstehende Loch wird
etwas Deckerde geschoben. Mit der Ernte wartet man nicht so lange, bis sich
die Hüte völlig öffnen und ihre rußartigen Sporen verbreiten, was andere Hüte
unansehnlich werden lässt, aber auch Insekten eindringen können, die in kürzes-
ter Zeit Fraßschäden anrichten.

VERWERTUNG
Wie alle Pilze; hauptsächlich gebraten, aber auch konserviert, getrocknet und
gepulvert. Von sehr großen Hüten sollte die Haut abgezogen werden, während die
Lamellen mitgegessen werden können, sie enthalten auch die meisten Proteine.

SCHÄDLINGE, KRANKHEITEN
Kellerasseln, Milben, Roter Pilzkurzflügler (Käfer), Springschwänze, Schnecken.
Schnecken muss man als Hauptfeind schon von Anfang an bekämpfen (Bierfalle,
Eisenphosphat, Metaldehyd), da sie bereits kleinste Pilze abschroten. Während
der Erntezeit kann man gegen Insekten nur Mittel nehmen, die leicht verdampfen
und daher eine kurze Karenzzeit aufweisen (Dichlorvos, auf Zeitungspapier
getropft).

ARBEITSKALENDER
A5 Strohvorbereitung
M5 Anlage der Beete, Beimpfen
Nacherntebeginn von vorjährigen Beeten
M6.. E6 Aufbringen der Deckerde
M7.. E7 Erntebeginn
8.. 9 Anlage von beeten zur Überwinterung
M10 Ernteschluss; Aufbringen von Deckerde für Überwinterungsbeete
und des Frostschutzes

SORTEN
Gartenriese, Gelbschopf, Winnetou

Anmerkung
Etwa auf die gleiche Weise können der Gelbbraune Trichterling, die Fenchel-
tramete und der Aniszähling kultiviert werden.

LITERATUR
[1] KINDT, V.: "Champignon und Träuschling selbst angebaut", Bücher für den
Gartenfreund, Deutscher Landwirtschaftsverlag Berlin, 3. Aufl. 1974
[2] MICHAEL-HENNIG: "Handbuch für Pilzfreunde", Bd. 4 Blätterpilze - Dunkel-
blättler, Gustav Fischer Verlag Jena 1967
[3] ROTH, L., H. FRANK, K. KORMANN: Giftpilze Pilzgifte, Nikol Hamburg 1990

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