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LINDE

 
NAMEN
(1) Winterlinde, Kleinblättrige Steinlinde
Tilia cordata MILL.
(2) Sommerlinde, Großblättrige Linde
Tilia platyphyllos SCOP.
(3) Silberlinde, Ungarische Silberlinde
Tilia tomentosa MOENCH.
(4) Krimlinde
Tilia x euchlora K.KOCH
(5) Holländische Linde
Tilia x europaea L.
(6) Amerikanische Linde, American Basswood
Tilia americana L. (syn. T. glabra VENT.)
( ) Tilia x vulgaris HEYNE

BOTANIK: Fam. Tiliaceae (Lindengewächse). Gattung mit 45 Arten.
(1) Winterlinde
Bis 25 m hoch, kleiner als die Sommerlinde, aber verzweigter, Triebe kahl.
Blätter herzförmig, blaugrüne Unterseite mit rotgelben Bärtchen, Rand
gesägt.
Blüte Ende Juni bis Anfang Juli, 2..3 Wochen nach (2), stark duftende,
5..12blütige Trugdolden mit zungenförmigem Deckblatt. Blütenstand aus
2..7(..16) Einzelblüten. Das Hochblatt trägt an der Unterseite sternförmige
Büschelhaare, sowie Blüten, deren Krone durch Umwandlung von 5 Staubgefäßen
in kronblattartige Staminodien doppelt erscheint. (Staminodium: Unfruchtba-
res, abweichend geformtes Staubblatt, Narbe nicht gelappt oder geschlitzt).
2n=82. Blüht schon in jüngerem Alter als (2).
Frucht ist eine zerbrechliche ein- oder zweisamige Nuss ohne Kanten.
LindenblütenLindenblüten Baum
Die maximale Höhe wird nach 150..180 Jahren erreicht, Blüte ab 20..30 Jah-
ren, maximales Lebensalter 700..1200 Jahre.
(2) Sommerlinde
Höhe bis 30 m; Triebe jung flaumig behaart; Blätter 10 cm groß, breit,
schief herzförmig, oberseits grün, unterseits schwach weißfilzig, weiße
Bärtchen in den Aderwinkeln.
Blüte Mitte bis Ende Juni in 2..5blütigen, Trugdolden. 2n=82.
1 cm lange, 4..5kantige. filzig behaarte, harte Nuss mit Flugblatt.
mit Samen
(3) Silberlinde: Bis 30 m hoch, Blätter unterseits weißfilzig, in den Ader-
winkeln sind sie nicht bärtig. Das Hochblatt ist nicht zungenförmig, son-
dern vorn am breitesten.
(4) Krimlinde, bis 20 m hoch, Blätter dunkelgrün, glänzend, hängende Zweige
(5) Holländische Linde bis 40 m hoch, frischgrüne Blätter.
(6) Amerikanische Linde 18..30(..43) m hoch, mit bis zu 20 cm großen Blättern,
Blüten zu 6..15 in Cymen, mit Staminodien (rückgebildete Staubblätter), sehr
aromatisch. 2n=82. Splint sehr breit, cremeweiß. Kernholz blassgelb..röt-
lichbraun.

VORKOMMEN
(4) Baum für auch heiße Straßen, rauchfest, widerstandsfähig
(5) Baum für weite Straßen, widerstandsfähig
(6) Baum für weite Straßen, widerstandsfähig.
(6) Nordamerika, Mischwälder, nährstoffreicher Lehm, feucht, auch schattig

WERT
(1) Winterlinde
Wohl der einzigste Wildbaum, der allenfalls noch in einen großen Garten
gepflanzt werden dürfte, für Kleingärten sind alle Linden ungeeignet,
sonst aber für Feldränder, Schutzstreifen, öffentliches Grün, Plätze
(Dorflinde, Gerichtslinde).
Begehrtes Holz zu Schnitzarbeiten (kaum reißend); der feste Bast eignet
sich zu Flechtwerk und als Befestigungsmaterial.
Hervorragende Bienenweide (guter Nektar-, aber schlechter Pollenspender).
Die Lindenblüten enthalten 3 % Schleimstoffe, über 1,75 % Gerbstoffe, or-
ganische Säuren (Kaffeesäure), Glykoside, Farbstoffe (Flavonoide wie Quer-
cetin, Kämpferol), etwas (0,02..0,1 %) ätherisches Öl mit Farnesol (das
Öl ist zehnmal teurer als Rosenöl).
Die Lindenblüten wirken schweißtreibend, schleimlösend, leicht krampflö-
send, harntreibend. Gegen Stress, nervösen Herzschlag, systolischen Blut-
hochdruck, Arteriosklerose. Überdosierung oder Dauergebrauch kann aber das
Herz schädigen [2]. Lotion gegen Hautjucken [4]. In den Früchten befinden
sich 58 % fettes, grünlichgelbes Öl, als Speiseöl geeignet.
(2) Sommerlinde, es gilt das unter (1) angeführte.
(3) Silberlinde als Baum für Straßen, rauchfest, ziemlich widerstandsfähig.
Der Nektar ist ziemlich hochwertig und liegt in einer Zeit vor, wo andere
Nektarquellen fehlen. Da man unter blühenden Silberlinden immer massenwei-
se tote Bienen und Hummeln auffand, glaubte man, dass diese das stark ver-
tretene Monosaccharid Mannose nicht vertragen, weil sie das abbauende Enzym
nicht haben [1]. Andererseits fällt die Blüte der Silberlinde mit einem pe-
riodischem Massensterben dieser Insekten zusammen, die auf Grund fehlender
anderer Nektarquellen in sehr schlechtem Ernährungszustand waren. [3]
Der Lindenduft ist verlockend für Bienen und Hummeln, fließt aber zu spär-
lich, so dass die Insekten nicht genug Energie tanken können. Die erschöpf-
ten, am Boden liegenden Hummeln könnte man mit wenigen Tropfen Zuckerwasser
wieder beleben.[5]
Die Blüten haben einen unangenehmen Geschmack und werden nicht genutzt.
(6) Gute Bienenweide. Das Holz ist leicht und weich, lässt sich gut bearbeiten,
zu nageln, zu verleimen; Drechsel- und Schnitzwerk, Möbel, Modellbau, Innen-
ausbau, Jalousien, Musikinstrumente.

ANSPRÜCHE
Allgemein nicht zu trockener oder zu magerer Boden, relativ geschützte Lage,
für "unsere" Winter- und Sommerlinden nicht zu warm. In städtischen Straßen
und Alleen sind daher die Linden (3)..(6) robuster und jetzt bevorzugt ange-
pflanzt.

BEHANDLUNG, VERWERTUNG
Die Ausführungen gelten für (1) und (2).
Pflanzung
Die Kronen der Heister werden niedrig angeschnitten. Man kann sie auch als
Hecke, Baumwand, Baumdach oder Bogengang einem strengen Schnitt unterwerfen.
Da das Holz wenig widerstandsfähig ist, werden geköpfte Linden leicht hohl.
Ernte der Blüten:
Die Lindenblüten (Tiliae flos) samt den Flugblatt pflückt man in der Voll-
blüte an sonnigen Tagen um die Mittagszeit. Eventuell kann man mit einer Stan-
genschere fingerdicke Äste abschneiden und am Boden abpflücken (Genehmigung
einholen!). Blüten mit schwarzem Anflug von Rußtaupilzen verwerfe man. Es dür-
fen keine Blüten mit Staminodien vorhanden sein, sechszählige Blüten von (3)
und (6) höchstens vereinzelt. [6]
Im Schatten sind die Blüten sorgfältig und schnell zu trocknen, auflockern.
Aufbewahrung in dicht schließenden Gefäßen; Haltbarkeit 36 Monate, jedoch soll-
te jährlich ausgetauscht werden.
Zubereitung als Tee (1 Teel. auf 1 Tasse kochendes Wasser, 10 min ziehen las-
sen) gegen Erkältungskrankheiten. Tagesmenge 2..3 Tassen.
Das Holz wird außer zum Schnitzen und Drechseln auch noch zu Holzkohle ge-
brannt, die ein ideales Adsorbens ist und ebenfalls medizinisch verwendet wer-
den kann gegen Vergiftungen, Durchfall, Magenübersäuerung, Leberleiden. Neben
der Holzkohle von Nussbaum, Weide, Birke, Pfaffenhütchen ist Lindenkohle die
gebräuchlichste Zeichenkohle zum Vorzeichnen und nach Fixierung auch für reine
Kohlezeichnungen.
Aus dem Bast der inneren Rinde von (6) gewannen die Indianer Fasern zum Flech-
ten, während bei uns der Bast von (1) verwendet wurde.

SCHÄDLINGE, KRANKHEITEN
Lindenspinnmilbe (Eotetranychus aclarius L.). Weiße Gespinste. Weibchen über-
wintern hinter Rindenschuppen, unter Moos, in der Erde. Sie wandern im Früh-
ling am Stamm empor.
Hörnchengallmilben (Eriophyes lateannulatus) verursachen zapfenartige Auswüch-
se auf den Blättern. Mehrere Generationen im Jahr, auffällig, aber wohl kaum
schädlich.

HISTORIE
"Die Linde galt den Germanen und Slawen als Friedens- und Fruchtbarkeitszei-
chen. Unter den Linden (nicht Eichen) hielten die alten Deutschen Gericht. Die
Linde galt bei den Germanen der Göttin Freya (der Krasogani oder Ostara bei den
Slawen), der Göttin der Ehe und Fruchtbarkeit, heilig. Lindenholz wurde noch im
Mittelalter als Lignum sanctum (Heiliges Holz) bezeichnet, woraus vorzugsweise
Marien- und Heiligenstatuen geschnitzt wurden. In die Mitte des Dorfes wurden
häufig Linden gepflanzt." [7]
Sehr oft hat man Wilhelm MÜLLERs "Der Lindenbaum" aus der "Winterreise" im Ohr,
besonders mit der unvergänglichen SCHUBERTschen Musik:
"Am Brunnen vor dem Tore, da steht ein Lindenbaum;
ich träumt' in seinem Schatten so manchen süßen Traum,
ich schnitt in seine Rinde so manches liebe Wort;
es zog in Freud' und Leide zu ihm mich immer fort.
Ich musst' auch heute wandern vorbei in tiefer Nacht,
da hab' ich noch im Dunkel die Augen zugemacht.
Und seine Zweige rauschten, als riefen sie mir zu:
Komm' her zu mir, Geselle, hier find'st du deine Ruh'!
Die kalten Winde bliesen mir grad ins Angesicht,
der Hut flog mir vom Kopfe, ich wendete mich nicht.
Nun bin ich manche Stunde entfernt von jenem Ort,
und immer hör' ich's rauschen: Du fändest Ruhe dort!"
(Wilhelm MÜLLER 1794-1827, Franz SCHUBERT 1797-1828)

LITERATUR
[1] DONATH, H.; Urania (1988), 10, 61
[2] WILLFORT, R.: Das große Handbuch der Heilkräuter, Nikol Hamburg, 1997
[3] Profil (1993) 4, 11
[4] CHEVALLIER, A.: Die BLV-Enzyklopädie der Heilpflanzen, München, 2. Aufl.
2000
[5] HR 20.5.2003 Naturwelten: Königin für einen Sommer
[6] EAB 4. Ausg. (2002) S.2254; 4.00/0957
[7] SCHRETZENMAYR, M.:Tascehnbuch der heimischen Bäume und Sträucher. Urania
Leipzig/Jena/Berlin, 6. Aufl. 1968
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