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MELISSE

 
NAMEN
Melisse, Gartenmelisse, Zitronenmelisse, Zitronenkraut, Zitronelle,
Bienenkraut, Herbstkraut, Honigkraut, Mutterkraut, Riechnessel

L: Melissa officinalis L.
E: lemon balm, balm-mint, F: mélisse, I: melissa, P: melisa, R: melissa,
S: melisa, toronjil

BOTANIK: Fam. Lamiaceae (Lippenblütler)
Ausdauernd. Höhe 0,3..0,7 m. Stark verästelter Wurzelstock. Laubblätter sten-
gelständig, kerbig gesägt. Blüte Juni bis August, bläulich oder gelblich weiß.
2n=32. Die Samen sind bis 2 mm lange kastanienbraune Nüsschen.
Kann am Ort bis 25 Jahre alt werden. Ganze Pflanze duftet nach Zitrone.

VERWECHSLUNG
(und Verfälschung) mit Katzenminze (Nepeta cataria L.)

WERT
Die Blätter enthalten bis 0,25 % ätherische Öle, die Citral, d-Citronellal,
Geraniol, Linalool und Caryophyllen enthalten; 4 % Gerb- und Bitterstoffe,
Harz, Schleim. Zitronenartiger, leicht würziger Geschmack. Laut EAB muss die
Droge (Melissa folium) mehr als 4 % Hydrozimtsäuren-Derivate (Citral, Citronel-
lal, Epoxycaryophyllen) aufweisen, berechnet als Rosmarinsäure [5].
Krampflösend, schmerzlindernd bei Zahn- und Kopfschmerzen, Migräne, beruhigend
bei Herzklopfen, nervenberuhigend, gegen Depressionen, verdauungsfördernd,
windtreibend, brechreizmindernd, menstruationsfördernd.
Äußerlich bei offenen Wunden, neuralgischen Schmerzen, Zahnschmerzen, Rheuma.
Zitronenmelisse senkt den Cholesterinspiegel durch Isoprenoide (das sind Koh-
lenstoffketten mit Doppelbindungen wie auch das Menthol), die sich als Vorstufen
in die Cholesterinsynthese einbauen können [1]. Die Polyphenole wirken antiviral
(Herpes). Melisse hemmt die Schilddrüsenaktivität. [4]
Da Melisse die Aktivität des Acetylcholins steigert, setzt man Hoffnungen auf
sie bei der Behandlung von Alzheimer und Demenz.
Wer unter Allergie gegen Zitrusfrüchte leidet, kann allergische Symptome auch
durch Melisse verspüren.

KENNZAHLEN
Keimgewähr 2 Jahre. Keimdauer 25..30 Tage, Sätiefe 5 mm. Anzuchtfläche = 1,5 %
der Anbaufläche. Saatgutbedarf 0,1 g/m². Pflanzung im Reihenabstand 60 cm,
Abstand in der Reihe 20..40 cm. Die Melisse bleibt etwa 3..4 Jahre am Ort
stehen.

ANSPRÜCHE
LUFT, LICHT, WÄRME, WASSER
Sonniger, geschützter, warmer Standort, vorwiegend unbeschattet. Windempfind-
lich. Im Winter Schutz durch aufgelegtes Reisig. Nicht zu trocken, genügend
wässern, aber nicht zu hohe Luftfeuchtigkeit.

BODEN
Tiefgründig, humushaltig, humoser Lehm. Bodenreaktion schwach sauer,
pH-Wert 5,8..6,8. Gelegentlich hacken oder Bodenbedeckung mit Torf.

NÄHRSTOFFE, DÜNGUNG
Nährstoffentzug bei 300 g Trockenmasseertrag je m²: 6,5 g N; 0,9 g P; 10,2 g K;
Grunddüngung: 6 g N; 3 g P; 10 gK /m² als beliebiger Volldünger oder 3 kg
Stallmist.
Kopfdüngung: In den Folgejahren im April 30 g/m² eines stickstoffreichen Voll-
düngers und Ende Juni, nach dem ersten Schnitt, 4 g N/m² aus Ammonsulfat als
0,3 %ige Nährlösung. Gut hinterher abbrausen.

ANBAUPRAXIS
Aussaat im März unter Glas, einige Male pikieren oder Teilung älterer Pflanzen
Ende April. Pflanzung Ende Mai, vor Spätfrösten schützen. Pflanzen aus Früh-
jahrsaussaat kommen erst im September an die endgültige Freilandstelle.
Im Herbst nicht zwischen den Reihen graben.
Durch chemische Unkrautbekämpfung ließe sich 95 % der Handarbeit einsparen.
Bei sachgemäßer Anwendung (von Simazin, Bentazon, Desmetryn nach dem Anwurzeln,
in älteren Beständen vor dem Austrieb im Frühjahr Metobromuron, Diuron, Propyz-
amid, Prometryn, bei 10 cm Höhe Bentazon) werden Ertrag und Inhaltsstoffe
nicht beeinträchtigt [2], obwohl die Wirkstoffe nicht angewendet werden.

ERNTE
Ab dem Jahr nach der Pflanzung wird kurz vor der Blüte (Mitte Juni bis Anfang
Juli) bei trockenem Wetter nachmittags 12..15 cm über dem Boden abgeschnitten,
streift die Blätter ab oder pflückt die Blätter direkt von den Pflanzen. Der
höchste Gehalt an ätherischem Öl liegt 14:00 MEZ vor. Die Blätter trocknet man
schnell auf Tüchern bei 25..35 °C unter öfterem Wenden. Das Produkt darf höch-
stens 10 % verfärbte Blattanteile und höchstens 10 % Stengelanteile mit einem
Durchmesser über 1 mm aufweisen. Nicht länger als 18 Monate in dichtem Glasge-
fäß (aber nicht in Blechgefäßen) aufbewahren.
Ein zweiter Schnitt fällt Ende Juli bis Anfang August an, aber auch sonst
können jederzeit die Blätter grün verwendet und auch gut eingefroren werden.
Ertrag 200..300 g/m².
Aus älterem Bestand kann man Samen gewinnen, indem die Samenstände vorsichtig
abgeschnitten, nachgereift und getrocknet werden. Ertrag 20..40 g/m².

VERWERTUNG
Einzelne Blätter zu Fruchtsuppen (aber nie mit kochen); Salatzugabe, kombi-
nierbar mit Zitrone.
Als Küchenkraut kombinierbar mit Boretsch, Dill, Estragon, Kerbel, Liebstock,
Minze, Petersilie, Pimpinelle.
Als Haustee allein (2 Teel. auf ein Glas heißes Wasser, 10 min ziehen lassen),
medizinisch (2 Essl. auf eine Tasse, täglich mehrmals frisch) oder im Gemisch
mit Pfefferminze, Kamille, Johanniskraut, Weißdorn, Baldrianwurzel.
Medizinisch Melissenpresssaft aus frischen Blättern, Sud aus frischen Blättern
als Badezusatz, Kräuterkissen als Einschlafhilfe.
Melissenöl ist wegen des geringen Gehaltes immer mit Zitronenöl gestreckt [3];
Verwendung zu Melissentinktur (Tinctura Melissae) für Einreibungen; mit Al-
kohol zu Melissengeist, Karmelitergeist (Spiritus aromaticus compositum,
Spiritus melissa
). "Klosterfrau Melissengeist" wird mit 12 anderen Kräutern
destilliert. Die Melisse wird meist aus Spanien importiert.

SCHÄDLINGE, KRANKHEITEN
Minzenschildkäfer (Cassida viridis), Schattenwickler (Cnephasia wallbomiana),
Älchen (Longidorus elongatus, Meloidogyne)

ARBEITSKALENDER
3 .. 4 Aussaat ins Frühbeet
4 Volldüngung älterer Bestände
E4 .. E5 Teilen älterer Pflanzen, Pflanzung
M6 Erster Ernteschnitt, anschließend Kopfdüngung
6 .. 8 Wässern bei Trockenheit
A8 zweiter Ernteschnitt
9 Pflanzung der Frühjahrsaussaat
11 Auflegen von Reisig als Winterschutz

SORTEN
Erfurter Aufrechte, Quedlinburger Niederliegende

HISTORIE
"melissa" heißt Biene, und man hat mit dem Kraut schon im Altertum die Bienen-
stöcke ausgerieben, damit der Schwarm darin bleibt, wie PLINIUS mitteilt. FUCHS
ergänzt, dass man mit den Blättern auch Bienenstiche lindern kann.

LITERATUR
[1] Naturwissenschaftliche Rundschau (1989), 5, 204
[2] Pharmazie (1987), 3, 191
[3] GILDEMEISTER, Die ätherischen Öle, III, 716-718
[4] CHEVALLIER, A.: Die BLV-Enzyklopädie der Heilpflanzen, München 2000
[5] EAB 4. Ausg. (2002) S.2342; 4.00/1447: Melissenblätter

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