Zurück zur Startseite
Voriges Kapitel Thymian
Folgendes Kapitel Tomate

TOLLKIRSCHE

 
NAMEN
Schwarze Tollkirsche, Wolfsbeere, Teufelskirsche, Wutbeere
L: Atropa bella-donna L.
E: deadly night shade, F: belladone, I: belladonna, N: wolfskers

BOTANIK: Fam. Solanaceae (Nachtschattengewächse)
Oft stark verholzte Staude, Höhe 0,5..2 m. Obere Teile sterben im Spätherbst
ab, nur ein starker, fleischiger, walzenförmiger Wurzelstock überwintert, bis
auch dieser nach 2..5 Jahren abstirbt.
Blätter ganzrandig, unterseits blasser, fein behaart, elliptisch-eiförmig,
zugespitzt, ein größeres und ein kleineres stehen paarweise zusammen.
Blüte Juni bis August, glockenförmige, 2..3 cm lange, rötlichbraune bis dunkel-
violette, gestielte, überhängende, einzeln oder paarweise auftretende Blüten.
2n=72. Schwarzglänzende, bis 15 mm große Früchte in fünfzipfliger Kelchkrause.
Schwacher, widerlicher Geruch. Höchster Alkaloidgehalt Ende Juli.
Tollkirsche 1 Tollkirsche 2

VERWECHSLUNGSGEFAHR: als vermeintliche Heidelbeere

WERT
Der scharfe, bittere Geschmack weist schon auf den hohen Alkaloidgehalt in
allen Pflanzenteilen hin. Gesamtalkaloidgehalt in den Blättern 0,19..0,34 %;
im Stengel 0,1..0,34 %; in Wurzeln 0,1..0,26 %; in Früchten 0,15..0,62 %.
Das Atropin ist ein Gemisch von 80..90 % D- und L-Hyoscamin sowie 1..2 %
Scopolamin. Atropin ist stark giftig, pupillenerweiternd; bei Verzehr Kratzen
und Trockenheit im Hals, Sehstörungen, Halluzinationen, Schwindel, betäubend,
Krämpfe, Tod. Die altertümliche Verwendung zu Zaubertränken beruhte auf der At-
ropinwirkung. Genau dosiert krampflösend auf Verdauungskanal, glatte Muskulatur,
Harn- und Gallenwege, Asthma, Erbrechen; Gegengift zu Morphin, Pilzgiften, bei
Phosphorsäureestern (Insektizide, chemische Kampfstoffe), zur Vorbereitung von
Operationen, Augenheilkunde.
Ein Hauptmittel der Homöopathie (Atropinum sulfuricum D4..D6 und Belladonna
D3..D12) gegen Entzündungen, wirkt besonders auf das Großhirn, Blutandrang
nach dem Kopf, bei Schwindel, Kopfschmerz, rechtsseitiger Migräne, Zahnschmer-
zen durch Kälte, zur Entspannung der Gebärmutter, Regelbeschwerden, bei unru-
higem Schlaf, Augenentzündungen, Husten, Atemnot, Schmerzen in der Lebergegend,
Blinddarmreizung.
Vögel können Tollkirschen ohne Folgen fressen und verbreiten die Samen mit dem
Kot.

KENNZAHLEN
800 g Saatgut für 40000 Pflanzen/ha. Reihenabstand und Abstand in der Reihe
0,5 m. Nutzungsdauer 5..6 Jahre. Blattertrag 16 dt/ha und Jahr.
Wurzelertrag 12 dt/ha. [2]

ANSPRÜCHE
Kalk- oder Urgesteinsboden, Waldränder, Kahlschläge. Schwerer, guter, nähr-
stoffreicher, kalkhaltiger Boden, auch schattig.

FRUCHTFOLGE
Zusammen mit Beifuß oder Geißraute wachsen beide Arten um 1/3 höher, auch
der Alkaloidgehalt der Tollkirsche wird um 15..24 % gesteigert.
Baut man Senf um die Tollkirsche an, geht letztere ein. [1]

ANBAUPRAXIS
Sammlung aus Wildaufkommen ist nicht effektiv, daher wird auch Vertragsanbau
vorgenommen.
Samengewinnung durch Abgärung des Beerenfleisches, Aussaat in Handkästen mit
sandiger Erde im Herbst. Überwintern im Kalthaus. Nach pikieren im Frühjahr
(Mai) pflanzen mit einem Reihenabstand von 1 m; oder ins Freiland in 10 cm
tiefe Rillen reife Beeren legen, Reihenabstand 40..50 cm, in der Reihe 20..30
cm. Boden zeitig hacken, sauber halten, bis Juli gut wässern, danach trockener
halten.
Düngung mit 100..200 kg Kalkammonsalpeter /ha (25..50 kg N), 200..300 kg 40er
Kali (80..120 kg K/ m²) und 100..200 kg Superphosphat/ha.
Es sind eine Reihe von Vorsichtsmaßnahmen einzuhalten: Kinder sind sicher
fernzuhalten, gartenmäßige Einfriedung. Arbeit im Bestand mit Handschuhen.


ERNTE
Im Hochsommer (Juni..Juli) werden die Blätter und Triebspitzen bis dreimal von
2..3jährigen Pflanzen gepflückt. Erst ab 3. Jahr Vollernte der Blätter. Ab dem
4. Jahr lässt der Wirkstoffgehalt nach. Die Wurzeln (Belladonae radix) sind
von Juni bis August auszugraben (im Großanbau mit Rübenrodetechnik). Die Wurzeln
werden gewaschen, gespalten und getrocknet (50..70 °C). Trockenes Erntegut vor
Feuchtigkeit und Licht schützen. [2]

VERWERTUNG
Eine Selbstmedikation ist nicht möglich, da das Naturprodukt schwankende
Wirkstoffgehalte aufweist und Dosierungsfehler gefährlich sind.
In pharmazeutischen Betrieben werden Extrakte, Tinkturen, Pulver auf exakten
Alkaloidgehalt eingestellt. Die getrockeneten Blätter (Belladonna folium, auch
mit blühenden Triebspitzen) sollen mindestens 0,3 % Gesamtalkaloide, berechnet
als Hyoszyamin aufweisen. Pharmazeutischer Trockenextrakt (Belladonnae folii
extractum siccum normatum
) oder mit Milchpulver eingestellt (Belladonnae pul-
vis
) [4] sind dann präziser dosierbar.

SCHÄDLINGE, KRANKHEITEN
Drahtwürmer

HISTORIE
Von drei Schicksalsgöttinnen, griechisch Moiren, römisch Parzen, Klotho (die den
Lebensfaden spinnt), Lachesis (die die Lose zuteilt) ist die dritte, Atropos
(die Unabwendbare, der Tod) an der Benennung dieser Pflanze beteiligt.
Belladonna, schöne Frau (MATTIOLI 1574) ist eine Anspielung auf die "ausdrucks-
voll" vergrößerten Pupillen, die sich schon beim Einreiben des Gesichtes mit dem
alkoholischen Blattextrakt ergaben.

LITERATUR
[1] SANDHACK, H.A.: Die Kultur der Heilpflanzen, Neumann Verlag 1953
[2] REICHARDT, I.: Atropa bella-donna - eine Giftpflanze mit Heilwirkung,
TASPO Gartenbaumagazin (1995) 10, 49
[3] ROTH, L, M. DAUNDERER, K. KORMANN: Giftpflanzen Pflanzengifte, Nikol
Hamburg, 4. Aufl. 1994
[4] EAB 4.00 (2002), S. 1253

Zum Anfang dieses Kapitels