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WINTERLIEB

 
NAMEN
(1) Winterlieb, Doldenwinterlieb, Wintergrün, Gichtkraut, Harnkraut, Nabel-
kraut, Steinpflanzenkraut, Waldmanngold

Chimaphila umbellata (L.) BARTON (syn. Pyrola umbellata L.)
(2) Geflecktes Winterlieb
Chimaphila maculata
(3) Birngrün
Orthilia secunda (L.) HOUSE (syn. Pyrola secunda L.)
(4) Rundblättriges Wintergrün, Großblättriges Wintergrün
Pyrola rotundifolia L.
(5) Wintergrün, Teebeerenstrauch, Scheinbeere, Rebhuhnbeere, Rote Teppich-
beere, Bergtee, Teeheide

Gaultheria procumbens L.
(6) Immergrün, Kleines Immergrün
Vinca minor L.
(7) Tropisches Immergrün
Vinca rosea (syn. Catharanthus roseus)

BOTANIK
(1) Fam. Pyrolaceae (Wintergrüngewächse)
Halbstrauch, aufrechter, holziger, kantiger Stengel, 20..25 cm hoch.
Blätter immergün, ledrig, oberseits dunkelgrün, unten blassgrün, linea-
lisch bis eiförmig, Rand zur Spitze hin scharf gesägt. Blüten auf bis zu
10 cm langen Schäften, blassrosa, nickend, glockenförmig, in Doldentrau-
ben von Juni bis August. 2n=26. Wurzelstock weiß, kriechend. Frische
Pflanze schwach, aber angenehm duftend.
(2) Fam. Pyrolaceae
(3) Fam. Pyrolaceae
Halbstrauch, Höhe 7..25 cm. Blüte Juni bis Juli, fast kugelige Krone, in
einseitswendiger Traube. 2n=38.
(4) Fam. Pyrolaceae
Ausdauernd. Stengel stumpfkantig, unten mit zwei scheidigen Hochblättern,
Höhe 15..30 cm. Blätter rundlich-eiförmig in grundständiger Rosette, am
Grunde herzförmig bis gerundet, lederig, immergrün. Blüte weiß, seltener
rötlich, Juni bis Juli, in allseitswendigen, vielblütigen Trauben. 2n=46.
Frucht ist fünffächerige Kapsel.
(5) Fam. Ericaceae (Heidekrautgewächse), Gattung mit 150 Arten.
Zwergstrauch, unter- und oberirdisch kriechend, Rasen bildend, Höhe bis
15 cm, Länge bis zu 1 m. Blätter 2..5 cm lang, glänzendgrün, verkehrt ei-
förmig bis elliptisch mit kleiner Spitze, borstig-sägezähnig. Blüten rosa
bis weiß, nickend, 1 cm groß, krugförmig, in kleinen Trauben, Juli bis Au-
gust. Früchte hellrosa..rot, rund, aromatisch, bleiben bis zum Frühjahr
über dem Laub.
(6) Fam. Apocynaceae (Hundsgiftgewächse)
Ausdauernd. Kriechend, aufsteigende Blütenstengel, Höhe 15..20 cm. Blätter
lederig, immergrün, lanzettlich, gegenständig, bis 5 cm lang. Blüten tel-
lerförmig, 2 cm groß, blau, April bis Mai. 2n=46. Balgkapsel aus zwei Teil-
früchten und zahlreichen Samen.
(7) Halbstrauch, Höhe bis 0,8 m. Blätter oval, glänzend. Blüte weiß..rosa,
fünfzählig.

VORKOMMEN
(1) Trockene Kiefernwälder in Nord- und Mitteleuropa, nördliches Asien,
Nordamerika
(2) Sandige Wälder Nordamerikas
(3) Nadelwälder, bodensauere Laubmischwälder
(4) Nadelwälder, bodensauere Laubmischwälder, moorige Gebüsche
(5) Nordamerika, Halbschatten bis Schatten, Boden frisch bis trocken, humos,
sandig, sauer, nährstoffarm
(6) Krautreiche Laubwälder, Gebüsche. Zierpflanze in Gärten, Parks. Kalkliebend
(7) Madagaskar, Tropen, Subtropen

WERT
(1) Die Blätter schmecken süßlich, später bitterlich herb, sie enthalten die
Glykoside Ericolin, Arbutin, Bitterstoffe Chinaphilin, Urson, dazu Gallus-
säure und andere Gerbstoffe, Harze, Gummi, Fett, Kohlenhydrate. Verwend-
bar wie Bärentraube. Tee ist abführend, harntreibend, harnsteinauf-
lösend, bei Wassersucht, Diabetes, Eiweiß und Blut im Harn, Prostatitis,
Skrofulose. Umschläge zur Wundheilung. [1]
(2) In Nordamerika als harntreibendes Mittel, gegen nervöse Unterleibs-
probleme, Hysterie. [2]
(3) wie (1)?
(4) Harntreibend, bei Blasenentzündung, Nierenleiden, Prostata. [3]
(5) Früchte sind essbar, schmecken aber nicht besonders. Kraut schmerzlindernd,
verbessert die Atmung, adstringierend, entzündungshemmend, schleimlösend,
gegen Rheuma, Arthritis, Ischias, Verstauchungen, Neuralgie. In den Blät-
tern ist bis 0,8 % "Wintergrünöl" (Oleum Gaultheriae) enthalten, wo das
Glukosid Monotropidosid mit dem Enzym Primverosidase zu Methylsalizylat
(exakter Salizylsäuremethylester) zerfällt, das mit Salizylsäure und
Aspirin verwandt ist. Oft als warnende Geruchskomponente in Salben. Über-
dosierung an Methylsalizylat schädigt das Gefäßsystem, Gastritis, Kollaps,
Lungenödem, Tinnitus, Taubheit, Halluzinationen, Delirium [6]. Nicht bei
Kindern unter 12 Jahren anwenden [8]. Mit Wintergrünöl können Imker ihre
Bienen friedlich machen, wenn sie am Stock arbeiten.
Die Indianer verwendeten das Wintergrün gegen Kopf-, Hals- und Rückenschmer-
zen, Fieber, Rheuma; der Tee ist stark entzündungshemmend, antimikrobiell
und wirkt daher auch gegen Blähungen und Koliken.
(6) In den Blättern 0,15..1 % Indolalkaloide (Vincamin, Vincin, Vincaminin,
Eburnamenin), Bisindolalkaloide (Vincarubin) und 60 weitere. Vincamin ver-
bessert die Durchblutung (und damit die Sauerstoffversorgung) des Gehirns,
gegen Demenz, Arteriosklerose. Stark blutdrucksenkend. Adstringierend,
blutstillend, gegen Halsschmerzen, Zahnfleischentzündungen, innere Blutun-
gen, zu starke Menstruation, Nasenbluten [8]. Bei Überdosierung Herz-,
Kreislauf- und Atembeschwerden, Blutbild verändernd [6]. Auch gegen Durch-
fall, Husten, Diabetes, Krebs [7].
(7) Im Kraut und in der Wurzel 70 verschiedene Indolalkaloide (Vinblastin,
Vincristin, Alstonin, Ajmalicin, Leucocristin, Reserpin). Vinblastin und
Vincristin sind wirksame Antikanzerogene, zur Behandlung von Hodgkin und
Leukämie bei Kindern. [8]

ANBAU
entfällt bisher, aber Wildvorkommen sind geschützt!
(5) Frieren in schneearmen Wintern zurück. Als Zierpflanze auf sauren Boden
im Halbschatten. Aussaat im Herbst nur durch Ausstreuen ohne Einarbeiten
oder durch Grünstecklinge im Sommer oder durch Teilung im September.
Bestandsdichte 10..15 Pflanzen/m² als Bodendecker.
(6) Halbschatten, Boden frisch, humos, nährstoffreich. Vermehrung durch Steck-
linge aus Triebspitzen im Spätsommer, über Winter in Töpfen unter Glas.
Pflanzung im Abstand von 35 cm.

ERNTE
(1) Das blühende Kraut ohne Wurzel (Herba Pirolae bzw. Herba Chimophilae)
wird von Juni bis August geerntet. Im Schatten trocknen.
(5) Blätter von April bis September pflücken, trockenen. Zur Ölgewinnung
werden die frischen Blätter der Wasserdampfdestillation unterworfen,
allerdings lässt sich Methylsalizylat sehr leicht künstlich herstellen.[5]
(6) Kraut April bis Juni, im Schatten schnell getrocknet bis 45 °C.

VERWERTUNG
(1) Tee (1 Teel je Tasse kochendes Wasser, Tagesmenge 2 Tassen). Bei Kaltan-
satz kommen die Bitterstoffe nicht mit in den Sud. Kombination mit Acker-
schachtelhalm 1:1 ist noch besser. [1]. Homöopathie D2 bei Blasen- und
Nierenentzündung, Prostatahypertrophie.
(4) Verreibungen, Tinktur, zerquetschte Blätter für Wunden. [3]
(5) Blätter als Tee bei oben angegebenen Beschwerden.
(6) Homöopathie D1..D6.

HISTORIE
Der Gattungsname Vinca ist wahrscheinlich die Verkürzung des bei PLINIUS auf-
tretenden Vincapervinca, und da steckt vincire = kriechen oder vincere = sie-
gen (über Krankheiten oder den Winter) dahinter.
Pyrola ist die Verkleinerungsform von pirus = Birnbaum. Chimaphila leitet sich
vom griechischen cheima = Winter und philos = Freund her. Gaultheria ehrt den
kanadischen Arzt H. GAULTHIER (18. Jahrhundert).

LITERATUR
[1] WILLFORT, R.: Das große Handbuch der Heilkräuter, Nikol Hamburg 1997
[2] SIEGMUND, F.:Omas Lexikon der Kräuter- und Heilpflanzen, Weltbild Augs-
burg 1997
[3] BÄßLER, F.A.: Heilpflanzen erkannt und angewandt, Neumann Verlag Radebeul
5. Aufl. 1966
[4] BOWN, D.: DuMonts große Kräuter-Enzyklopädie, DuMont Köln 1998
[5] GILDEMEISTER, E.: Die ätherischen Öle, Bd.III, Schimmel & Co. Miltitz,
3. Aufl. 1931
[6] ROTH, L., M. DAUNDERER, K. KORMANN: Giftpflanzen Pflanzengifte, Nikol
Hamburg, 4. Aufl. 1994
[7] LICHTENSTERN, H.; J. VOLAK, J. STODOLA: Schwester Bernardines große
Naturapotheke, Mosaik Verlag München 1983
[8] CHEVALLIER, A.: Die BLV-Enzyklopädie der Heilpflanzen, München 2000

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