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ZUCKERROHR

 
NAMEN
(1) Zuckerrohr
L: Saccharum officinarum L.
E: sugar cane, F: canne à sucre, I: canna da zucchero, S: cañar de azúcar
(2) Saccharum barberi JESWIET
(3) Saccharum robustum BRANDES et JESWIET ex GRASSL
(4) Saccharum sinense ROXB.
(5) Saccharum spontaneum L.

BOTANIK: Fam. Poaceae (Süßgräser), Gattung mit 35 Arten.
Sich unterirdisch bestockendes Gras, Halme bis 6 m hoch, 2..6 cm dick, mit
Knoten (Nodien), Internodien in der Mitte des Halmes etwa 20 cm lang. Über
den Knoten befindet sich eine Triebknospe unter einer Blattschuppe sowie Wur-
zelanlagen (Wurzelring). Der Wuchsring darüber sorgt für das Längenwachstum
des Internodiums und für das Aufrichten niedergelegter Halme. In das Grundge-
webe (Parenchym) des Halms wird Zucker eingelagert. Innen sind die Halme fase-
rig und saftig. Der untere Stengelteil ist zuckerreicher als der obere.
Blätter 1..2 m lang und 5..7 cm breit, am Rande fein gezähnt, scharf durch
Kieselsäure. Blüte ist eine flaumige Rispe von 0,7..0,9 m Länge. Für den
Anbau ist blühendes Zuckerrohr nicht erwünscht (Wachstumsende, Verholzung,
Zuckerabbau). Lebensdauer etwa 20 Jahre.

VORKOMMEN
Heimat Neuguinea. Anbau Südostasien, Indien, China, Karibik, Mexiko, Südame-
rika, Südafrika, Australien.

WERT
Die Halme enthalten 9..16 % Rohrzucker (= Saccharose), ein Disaccharid, der mit
dem Rübenzucker aus Zuckerrüben identisch ist, sowie 0,4..1,5 % Invertzucker.
Invertzucker ist ein Gemisch der beiden Disaccharidbausteine Glucose (Trauben-
zucker
) und Fructose (Fruchtzucker).
In den Stengeln bilden sich als Phytoalexine Blausäureglykoside, Luteolinidin,
Piceatannol.[4]

ANBAU
Früher wurde nur (1) angebaut, heute befinden sich hauptsächlich Kreuzungen
von (1) bis (5) im Anbau. Wachstumsoptimum bei 25..28 °C im Durchschnitt.
Es wird dort angebaut, wo es sein Wachstum möglichst nicht abschließen kann
durch eine Jahreszeit mit Temperaturen unter 15..20 °C. Frost tötet die Pflan-
zen ab. Wasserbedarf über 1200 mm im Jahr. Stauende Nässe wird nicht vertragen.
Schwerer Boden erwünscht.
Vermehrung durch Stecklinge (aus den oberen 2/3 des Halmes mit 2..3 Augen),
die in Furchen von 45 cm Tiefe ausgelegt werden, Abstand 1,4..1,8 m. Die
Pflanzfurchen werden durch Hacken nach und nach aufgefüllt und zuletzt ange-
häufelt. [1]
Im Hobbygarten kann man aus Zuckerrohrstücken von mindestens 10 cm Länge mit
mindestens einem Knoten Pflanzmaterial herstellen. Die häutige Scheide an
den Knoten wird vorsichtig entfernt und legt das Auge frei, aus dem sich die
neue Pflanze entwickeln soll. Ein großer Blumentopf/Kübel wird zu 3/4 mit
Anzuchterde gefüllt, das Halmstück aufgelegt und mit 3 cm Anzuchterde bedeckt.
Bei 25..30 °C und ständigem Feuchthalten erscheint der Trieb nach 2..3 Wochen.
Nun muss Licht, Wasser, Luftfeuchtigkeit und Wärme gleichmäßig gegeben werden,
monatlich ist zu düngen. [2]

ERNTE
Der Schnitt erfolgt, wenn der höchste Zuckergehalt erreicht ist, das ist je
nach Anbauverfahren und Ort nach 10..24 Monaten. Die Halme werden tief abge-
schnitten, die Blätter und Triebspitzen entfernt und binnen 24 Stunden verar-
beitet. Unter guten Bedingungen lassen sich vom Hektar 1200 dt und Jahr mit
130..140 dt Zucker einbringen. Die Erntezeiten sind weltweit verschieden (Kuba
Dezember bis Juni, Java Juni bis September, Ägypten Januar bis April, Südameri-
ka September bis November...)

VERWERTUNG
Als Leckerei kann man Zuckerrohr in kleinen Stücken auskauen, den faserigen
Rest spuckt man aus. Frisch gepresster Saft kommt in Drinks wie Batida (mit
Zuckerrohrschnaps) vor. Cachaca heißt in Brasilien der aus Zuckerrohr gewon-
nene Branntwein, der mit Frischsaft, zerstampften Limetten und Rohrzucker zum
Mixgetränk Caipirinha gehört. Einfach nur getrockneter Saft wird als Urzucker
oder Ursüße gehandelt. [3]
Aus der Melasse, mitunter ein lästiges Nebenprodukt mit 15..40 % Invertzucker,
wird Arrak und Rum gebrannt.
Verarbeitung: Die Halme werden vorgebrochen (durch Crusher bzw. Shredder), ge-
mahlen in Rohr- oder Walzenmühlen, mehrstufig ausgepresst, mit Wasserzusatz
erneut ausgepresst. Der Zuckersaft wird ähnlich dem der Zuckerrübe weiter ver-
arbeitet, er wird der Defäkation(!) (Kalkung und Absetzen, der Schaum wird ab-
geschöpft), der Sulfitation (Behandlung mit Schwefeldioxid, wenn man mit höhe-
rem Kalkzusatz arbeitet), der Carbonation (Einblasen von Kohlendioxid)
und eventuell dem Zusatz von Phosphat unterworfen. Beim Eindicken kristalli-
siert der Zucker aus und wird abzentrifugiert. Rohrzucker enthält manchmal
mehr Glucose als Rübenzucker und wird dann klebriger.
Die faserigen Pressrückstände (Bagasse) eignen sich als Brennstoff, als Aus-
gangsmaterial für Zellstoff, Papier, Faserplatten und Chemikalien.

WIRTSCHAFT
Produktion an Rohrzucker in Mio.t/Jahr 2000 nach Ländern [5]
Indien 18,94 Thailand 5,63 Südafrika 2,65
Brasilien 14,50 Mexiko 4,98 Kolumbien 2,30
China 8,38 Kuba 4,13 Indonesion 2,17
Australien 5,78 Pakistan 3,80 Philippinen 1,68

HISTORIE
Der erste Rohrzucker kam mit den rückkehrenden Kreuzfahrern nach Südeuropa.
Die erstmalige Raffination geschah 1573 in Augsburg.

LITERATUR
[1] FRANKE, G. (Hrsg.): Früchte der Erde, Urania-Verlag Leipzig Jena Berlin
3. Aufl. 1988
[2] COLDITZ, P., G. COLDITZ: Kiwi, Litschi und Melone, Frankh-Kosmos, Stutt-
gart 1991
[3] PINI, U.: Das Gourmet Handbuch, Könemann Köln 2000
[4] ROTH, L., M. DAUNDERER, K. KORMANN: Giftpflanzen Pflanzengifte, Nikol
Hamburg, 4. Aufl. 1994
[5] Der Fischer Weltalmanach 2003, Fischer Taschenbuch Frankfurt/M. 2002

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