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ZUCKERRÜBE

 
NAMEN: Zuckerrübe
L: Beta vulgaris L. ssp. vulgaris (var. saccharifera) convar. crassa ALEF.
var. altissima DÖLL

E: sugar-beet, F: betterave sucrière, I: barbabietola da zucchero, N: suikerbiet,
R: sacharnaja swjokla, swjeklowiza S: remolacha azucarera, betarraga,
U: cukor'répa

BOTANIK: Ordnung Caryophyllales (Nelkenartige), Fam. Amaranthaceae (Amarantge-
wächse) (früher Chenopodiaceae, Gänsefußgewächse). Unterfamilie Chenopodioideae.
Die Pfahlwurzel besteht aus Rübenkopf (Epikotyl), Rübenhals (Hypokotyl), Wurzel-
körper, Rübenschwanz. Zweijährig. Blüte Juni bis August, Blühdauer 30..40 Tage
je Pflanze. 2n = 18, 36, 54. Fremdbefruchtet. Samen polykarp (mehrere Samen zu
einem Knäuel verwachsen); neue Züchtungen monokarp. (Karpiegrad: 2..4 Samen =
polykarp; 2 Samen = dikarp; 1..2 Samen = monodikarp, 1-früchtig = monokarp.
Zertrümmerte polykarpe Knäuel = monogerm).
Die Zuckerrübe wurde aus der gelbfleischigen Burgunderrübe gezüchtet, siehe
auch Runkelrübe

WERT
Die Zuckerrübe nutzt von den einheimischen landwirtschaftlichen Kulturen am
besten das angebotene Sonnenlicht zur Bildung organischer Masse aus, wie an
den Blättern zu sehen ist: Rüben im Bestand
Die Rübe enthält bis zu 20 % Rübenzucker (chemisch = Rohrzucker, ein Di-
saccharid aus einem Fruchtzucker- und einem Traubenzucker-Baustein) und etwa
20 % Pektinstoffe.
Die Blätter dienen der Viehfütterung (frisch, siliert, getrocknet), aber auch
die Rüben (geschnitzelt) und die bei der Zuckerproduktion anfallende Melasse.
An hohem Melasseanteil sind Natrium, Kalium und Aminostickstoff besonders
schuld.
Der Nutzen des Zuckerrübenanbaus geht über die Zuckergewinnung hinaus: Sie stei-
gert als Vorfrucht die Erträge des nachfolgendem Getreideanbaus um 10..20 %.
Ein weiterer Vorteil ist, dass der Arbeitsanfall sich nicht mit dem anderer Kul-
turen überschneidet.

KENNZAHLEN
Reihenabstand 45 cm, Abstand in der Reihe bei Wechselkornablage 12 und 18 cm
weit, nur unter ungünstigen Bedingungen 4,5 und 6 cm. Einzelkornablage bei Rei-
henabständen von 45..50 cm und in der Reihe um 20 cm. Sätiefe 3..4 cm.
Bestandsdichte 7..9..11 Stück/m². Saatgutbedarf je nach Saatgut 0,04..1,4 g/m².
(9..20 kg/ha). Wurzeltiefe 1,1 m, Durchmesser des Wurzelsystems 0,8 m.
Ertrag 40..70 t/ha. Schüttgewicht Rüben 550..650 kg/m³, Schüttwinkel 30..45°.

ANSPRÜCHE
LICHT, LUFT, WÄRME
Mindestkeimtemperatur 4..6 °C. Im Frühjahr frostempfindlich.
Rasche Bodenerwärmung im Frühjahr. Im Herbst viel Licht und Wärme.
Gerodete Rüben werden unter -6 °C geschädigt.

WASSER
Bis Bestandsschluss relativ geringer Wasserbedarf. Juni bis August reichlich
und gleichmäßig Wasser bei hoher Wärme. Im Herbst sollte weniger Wasser bereit-
stehen. Bewässerung ab Bestandsschluss bis 4 Wochen vor der Ernte ist sehr wir-
kungsvoll, 50..80 % der Feldkapazität. Zusatzwasser 100..180 mm, alle 8 Tage
sind 25..30 mm nötig.

BODEN
Humoser, milder Lehm, Löß. Gleichmäßig und tief gelockert, Krumentiefe über
25 cm mächtig. Herbstfurche bis Anfang November ziehen, etwas einebnen.
Bodenverdichtungen bewirken Beinigkeit.
Zur Aussaat Rauhtiefe unter 4 cm. pH-Wert 6,5..7,0, ausreichend gekalkt.

FRUCHTFOLGE
Anbaupause 6 Jahre. 1. Tracht.
Ungeeignete Vorfrüchte: Zuckerrübe, Futterrübe, Rote Rübe, Mangold, Spinat
Raps, Rübsen, Senf, Kohlarten, Kohlrüben
Geeignete Vorfrüchte: Ackerbohne, Chicoree, Esparsette, Getreide, Kartoffeln,
Klee, Lein, Lupine, Luzerne, Mais, Phacelia, Serradella, Wicke, Zwiebel
Die Vor- bzw. Zwischenfrüchte verhindern Nitratauswaschung, Erosion und Nema-
todenausbreitung, sie sichern die Bodenfruchtbarkeit.

NÄHRSTOFFE
Humusentzug 0,47..0,57 kg/m². 15 dt/ha Ernterückstände mit 25 kg N (C:N=20:1).
Nährstoffentzug bei 7 kg Gesamtmasse (Blatt und Rüben) je m² in g/m²:
18,2 N; 3 P; 20 K.
Zuckerrüben sind salzverträglich.
Spurenelemente: Bei Bormangel sind 0,15..0,2 g Bor/m² in 1 %iger Lösung kurz
vor Bestandsschluss zu spritzen.

DÜNGUNG
Grunddüngung: 2,5..3,5 g/m² P und 11,5..16,5 g K/m² vor Stoppelumbruch, dazu
3 kg Stallmist/m² zur Herbstfurche. 12 g N/m² bis 10 Tage vor der Aussaat als
Ammonsulfat oder Kalkammonsalpeter.
Kopfdüngung: 10 g N/m² bis Ende Mai. Bei Bewässerung können bis 4 g N/m² mehr
verabreicht werden, doch sind dann die Mengen auf zwei Gaben zu verteilen,
erste Gabe ab erstem Laubblattpaar.

ANBAUPRAXIS
Aussaat auf nur flach aufgerauhten Boden in der Zeit vom 20. März bis zum 15.
April (wenn die Stachelbeere die ersten Blätter schiebt und bis die Süßkirsche
blüht). Ein Feldaufgang von 65..70 % galt als gut. Vor der Bereitstellung von
Einkornsaatgut, war früher im Zwei- bis Vierblattstadium auf 9 Pflanzen/m²
manuell zu bereinigen: Hacken mit trapezförmigen Blatt, 10..12 cm breit, so dass
Büschel von Pflanzen in entsprechenden Abständen standen. Dann musste verzogen
werden, indem aus den Büscheln nur eine Pflanze stehen blieb.
Unter 12 Pflanzen/m² wurde nur das Unkraut beseitigt (es sollte höchstens eine
Unkrautpflanze auf 10 m² zu sehen sein). Chemische Unkrautbekämpfung mit Phen-
medipham im Keimblattstadium, 3..8 Tage später erste Maschinenhacke, wenn die
Reihen gut erkennbar waren (Schonstreifen 6 cm breit, Hacke 2..3 cm tief).
Mindestens vor dem Bestandsschluss musste die Guthacke gegen Unkraut und zur
Bodenlockerung erfolgen. Geübte Leute brauchten 450 Stunden/ha zur Handhacke,
bei ungelernten Arbeitskräften sind 10..12 Mann/ha nötig, im Durchschnitt konnte
man mit 700 Akh rechnen.
Dann gelang es, die Samenknäuel zu vereinzeln (Monogermsaatgut). Heute erspart
modernes Einkornsaatgut nunmehr die Hackarbeiten. Es wird auf Endabstand ausge-
sät, so dass man nach wie vor 9 Pflanzen/m² erhält. Zur Saatgutbeizung wurde
bis 1993 Bendiocarb, dann Carbofuran und ab 1995 Imidacloprid eingesetzt. Als
Herbizide eignen sich Triflusulfuron-methyl, Glyphosat (VS), Fluazifop, die
feintropfig über dem ganzen Bestand ausgebracht werden können.
Man könnte auch vorkultivierte Zuckerrübenpflanzen in Erdpresstöpfe pflanzen.
Der Ertrag erhöht sich auf 10 kg/m².
Samengewinnung aus Stecklingen mit einem Kopfdurchmesser von 2..3 cm, die in
Mieten überwintert und im März ausgepflanzt werden oder aus Direktaussaat Anfang
August.

ERNTE
Ernte ab Anfang Oktober bis Mitte November, Roden nach dem Köpfen. Heute erfolgt
die Ernte mit sechsreihigen Köpfrodebunkern. Ertrag 3..6 kg/m² (theoretisch bis
10 kg/m²) und 2,5..3,5 kg Blattmasse/m². Einzelrübenmassen 0,7..1,2 kg.
Zuckerausbeute 16..17 % der Rübenmasse.
Rübenblatt möglichst sofort mit 10 % Strohhäckseln silieren als Futter für Rin-
der, Schweine, Pferde, Geflügel. Der Rest dient als Gründüngung.
Bilder Roden 1 Roden 2 Roden 3
Bilder Ablagerung am Feldrand bis zum Abtransport

VERWERTUNG
Sirupgewinnung im Haushalt: Die gründlich gewaschenen Rüben werden nicht zu fein
geschnitzelt, mit wenig Wasser angesetzt und auf 70..80 °C erhitzt. Die Masse
ist durch ein Tuch zu filtrieren. Beim Eindicken des Sirups karamelisiert der
Zucker leicht, auch lässt sich ein Rübenkochgeschmack kaum verhindern.
Mit dem Zucker lösen sich auch andere Stoffe, die das Kristallisieren des Zu-
ckers erschweren. Daher wird industriell der Saft zur Reinigung nach Ausfäl-
lung verschiedener Säuren mit Kalk und wiederum Fällung des nichtverbrauchten
Kalks mit Kohlendioxid (Saturation) durch Filterpressen filtriert und im Va-
kuum eingedampft.

Schema der industriellen Weißzuckererzeugung

Zuckerrüben────>Entladung────>Lagerplatz

Wäsche ────────────────────────>Erde, Kraut, Stroh

Schneidmaschine, Schnitzel 2..40 mm
↓ Viehfutter
Extraktionsturm ───> Schnitzelpresse─┬──>Nassverladung
(Diffusor) └──────>Trocknung
↓ Rohsaft
Kalkmilch ───>Vor- und Haupt-
Abscheidung
↓ Schlammsaft
Kohlendioxid──>1. Saturation
(Carbonatation)
1.(Filter)pressung ──────────────>Scheidekalk (Dünger)
↓ Rohsaft
Kohlendioxid-->2. Saturation
2.(Filter)pressung ───────────────>Schlamm, Viehfutter
↓ Dünnsaft 12..14 %
Schwefeldioxid──>Schwefelung
Verhinderung Karamelisieren

Filter
Vorwärmer

Verdampferstation
↓ Dicksaft 65..68 %
Filter
┌──────────────────┐ │
│ ↓ ↓
│ Kochstation -->Vakuum
│ ↓ ↓
│ Kristallisation
│ │ │ Füllmasse=Sirup+Kristallzucker
│ ↓ ↓
│ Wasser, Dampf-->Zentrifuge ───────────────────────────────>Melasse
│ ↓ Weißzucker
└──── Lösen<─────────┤

Trockner

Sichter, Klassierung grob, mittel, fein

Verladung ───────────────────────────────>Weißzucker


SCHÄDLINGE, KRANKHEITEN
Blattläuse, Blattfleckenkrankheit (Cercospora), Erd- und Eulenraupen, Gelbnetz-
virus, (Hamster), Herz- und Trockenfäule (Bormangel), Luzernerüssler, Moos-
knopfkäfer, Mosaik, Pustelschorf, Rübenaaskäfer, Rübenderbrüssler, Rübenerd-
flöhe, Rübenfliege, Rübennematode, Weißbindiger und Spitzsteißiger Rübenrüss-
ler, Rübenschorf, Schildkäfer, Vergilbungskrankheit, Viröse Wurzelbärtigkeit
(Rizomania), Wurzelbrand, Wurzelkropf
Pilzbekämpfung mit Azoxystrobin, Difenoconazol, Fenpropidin. Gegen Erdraupen,
Rübenfliege, beißende und saugende Insekten Lambda-Cyhalothrin, gegen Blatt-
läuse Pirimicarb.

ARBEITSKALENDER
.. A11 Herbstfurche, Grunddüngung
3 Stickstoffgrunddüngung
(M3..)E3.. M4 Aussaat
A4 Vorauflaufbehandlung
E4 Bereinigungshacke
A5 Maschinenhacke in 3..8-Tage-Abständen
E5 Stickstoffdüngung
E6.. E9 Zusatzbewässerung
(M9..)A10.. M11 Ernte

SORTEN
Moderne Sorten sind alle monokarpe, di- und triploide Hybriden (R=rizomania-
fest):
Alabama (R), Anastasia (R), Alyssa, Belinda (R), Cynthia (R), Damona, Delice
(R), Depomo, Depola, Dorena (R), Evelina, Fabiola, Felicita (R), Fidelia,
Hymona, Josephina, Katinka, Kevala, Miranda (R), Mosaik, Pauletta, Pauline,
Ponemo, Raphaela, Ricarda, Santesse (R), Simenia (R), Tatjana (R), Tomba,
Trikamo [3] [4]

WIRTSCHAFT
Produktion an Rohzucker aus Rüben in Mio. t/Jahr 2000 nach Ländern [5]
USA 7,95 Türkei 2,21 Ukraine 1,50
Frankreich 4,38 Polen 1,80
Deutschland 4,10 Russland 1,58

HISTORIE
Andreas Sigismund MARGGRAF (-1782) in Berlin hatte 1747 herausgefunden, dass
der Zucker in der Runkelrübe identisch war mit dem Zucker des Zuckerrohrs. Sein
Schüler Franz Carl ACHARD (1753-1821) erforschte Anbau und technische Verwertung
ab 1786 in seinem Gute Kaulsdorf bei Berlin sowie Kunern in Niederschlesien, wo
auch die erste Zuckerfabrik 1802 entstand. Ab 1804 widmete er sich allein dieser
Aufgabe. 1799 konnte er die erste Probe Rübenzucker Friedrich Wilhelm III. über-
reichen, und 1803 erschien seine Schrift "Anleitung zum Anbau der zur Zucker-
fabrikation anwendbaren Runkelrüben und zur vorteilhaften Gewinnung des Zuckers
aus denselben". Die Zuckergewinnung aus Rüben wurde forciert durch Napoleons
Kontinentalsperre 1806, die den Handel mit England verbot und damit die Einfuhr
von Rohrzucker ausschloss. W. v. KOPPY (1745-1814) war dann der erste, der Rü-
benzucker ab 1810 wirtschaftlich herstellen konnte. An der Verbesserung der Raf-
fination waren viele Länder beteiligt: Deutschland steuerte die Kohlensäure-
Technik zur Saturation, Vakuumkochapparate und Kristallisation in Bewegung bei,
die Entwicklung der Kalköfen und der Diffusion stammten aus Mähren, die Schei-
desaturation und Verdampfstation aus Böhmen, die Rübenschwemme von Ungarn. [2]
Die Hauptproduzenten in der EU (2003) sind Deutschland und Frankreich. In der
EU werden etwa 120 Mio. t Rüben pro Jahr erzeugt, woraus sich 14..16 Mio. t
Zucker erzeugen lassen.

LITERATUR
[1] OEHME, J. u.a.: "Empfehlungen zur Produktion von Zuckerrüben", agrabuch,
Hrsg. Akad. d. Landwirtschaftswiss. der DDR 1980
[2] ULLMANN, F. (Hrsg.): Enzyklopädie der technischen Chemie, Urban & Schwar-
zenberg Berlin Wien, Bd. 10, 2. Aufl. 1932
[3] www.kws.de; Abfrage (2005) 6
[4] www.zuckerruebe.ch; Abfrage (2005) 6
[5] Der Fischer Weltalmanach 2003, Fischer Taschenbuch Frankfurt/M. 2002

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